Gentechnik macht Räume frei
Die grüne Gentechnik ist in Deutschland nicht gewollt. Seit 2012 werden keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr kommerziell angebaut. In das 2004 eröffnete Agrobiotechnikum in Groß Lüsewitz in Mecklenburg-Vorpommern sind inzwischen neue Firmen eingezogen. Zwölf Jahre nach der Eröffnung ist der Bau sichtbar in die Jahre gekommen. Der Putz bröckelt, es fehlt Farbe. Ein Leuchtturm für ganz Deutschland in der Gentechnikforschung sollte Groß Lüsewitz werden, hatte Agrarminister Till Backhaus (SPD) einst gehofft.
Die Forschungseinrichtung war mit zehn Millionen Euro von EU, Bund und Land errichtet worden - mit allem »Drum und Dran«, inklusive Gewächshaus und Freilandversuchsflächen, umgeben von weiteren landwirtschaftlichen Forschungseinrichtungen. Genauso hatte es sich die Gentechnikexpertin Inge Broer von der Universität Rostock vorgestellt, als sie 1999 mit Gleichgesinnten den Verein zur Förderung innovativer und nachhaltiger Agrobiotechnologie, kurz Finab, gründete. Auftraggeber für die Entwicklung gentechnisch veränderter Pflanzen war vor allem die Pharmaindustrie.
Doch vier Jahre später war schon wieder Schluss. Proteste von Gentechnikgegnern hatten Politiker in Brüssel, Berlin und Schwerin zum Umdenken bewegt. Von gentechnisch veränderten Pflanzen wollte kaum noch jemand etwas wissen. Die Gentechnik-Firmen in Groß Lüsewitz zogen aus, das Haus stand leer.
Inzwischen sieht das wieder anders aus. Nachdem der Verbund BioCon Valley als Verwalter des Hauses mit der Neuvermarktung kein Glück hatte, trat die Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern an dessen Stelle. »Wir konnten sofort das Leibniz-Institut für Katalyse e.V. gewinnen«, erinnert sich Geschäftsführer Thomas Pitschmann. Die Katalyseexperten sind zwar inzwischen weitergezogen, doch die Landgesellschaft konnte in den vergangenen sechs Jahren zahlreiche weitere neue Mieter gewinnen, darunter die 2014 gegründete Norddeutsche Pflanzenzucht Innovations GmbH. »Wir haben ideale Bedingungen vorgefunden«, sagt die Assistentin der Geschäftsführung, Claudia Müller. Das Unternehmen wolle seine Position als eines der führenden Zentren für Züchtungsforschung in Deutschland ausbauen. Für die Winter- und Sommerrapszüchtung nutzen die Wissenschaftler Zuchtgarten und Gewächshäuser des früheren Agrobiotechnikums.
Ein weiterer neuer Mieter ist die German Seed Alliance, 2008 von vier mittelständischen Saatgutunternehmen für Züchtung und Forschung gegründet. Ein Schwerpunkt, von Groß Lüsewitz aus gesteuert, sei das Russlandgeschäft, berichtet Katrin Beckmann von der Standortleitung.
Zufrieden sind die Gentechnikgegner. »Wir sind von Anfang an Sturm gegen das Agrobiotechnikum als Hochburg der deutschen Gentechnikforschung gelaufen«, sagen die Grundstücksnachbarn Ute und Andreas Strauß. »Die Felder mit den manipulierten Neuzüchtungen grenzten unmittelbar an unser Haus.« Auch die Biolandwirte Heinrich Graf von Bassewitz und Gottfried Marth lehnten das Gentechnik-Forschungszentrum ab. Die Vertreter des Öko-Anbauverbandes Biopark hatten nahezu zeitgleich zum Bau des Agrobiotechnikums die erste gentechnikfreie Region in Deutschland, Warbel-Recknitz-Region, gegründet. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.