Diakonie beklagt Abschiebung kranker Geflüchteter

Rigide Praxis in Nordrhein-Westfalen in der Kritik / Abschiebungen sogar durch bewaffnete Beamte aus der geschlossenen Psychiatrie heraus

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Berlin. Die Diakonie in Rheinland-Westfalen-Lippe hat sich mit scharfer Kritik an der rigiden Abschiebung kranker abgelehnter Asylbewerber in Nordrhein-Westfalen zu Wort gemeldet. »Mit Sorge beobachten wir, dass humanitäre Standards, die bisher gegolten haben, angesichts der hohen Zahl an Abschiebungen und der verschärften Gesetzeslage in den Hintergrund rücken«, beklagte die Beauftragte für Sozialpolitik, Helga Siemens-Weibring. Aus Nordrhein-Westfalen seien 2015 knapp 4.400 Flüchtlinge abgeschoben worden, im ersten Halbjahr 2016 waren bereits rund 2.600. Damit sei das Bundesland Spitzenreiter bei der Abschiebung.

Doch damit nicht genug. Die Abschiebungsbeobachterin am Düsseldorfer Flughafen, Dalia Höhne, berichtete, »dass zunehmend Flüchtlinge abgeschoben werden, die offensichtlich krank, schwer traumatisiert oder suizidgefährdet sind«. Höhne ist laut der Diakonie eine der wenigen unabhängigen Abschiebungsbeobachter in der Bundesrepublik. Die Stelle wurde im Jahr 2001 eingerichtet und war damals die europaweit erste dieser Art. Sie wird aus Mitteln des Landes gefördert und ist bei der Diakonie angesiedelt.

In einzelnen Fällen habe der Mediziner, der die Flugabschiebungen begleitet, nach einer ärztlichen Untersuchung die Abschiebung stoppen müssen, berichtet Höhne. »Wir befürchten, dass es für schwer erkrankte Flüchtlinge noch zu lebensbedrohlichen Situationen im Anschluss an die Abschiebung kommt«, sagt Siemens-Weibring. Seit der Einführung des Anti-Asylpaketes II stellen nur noch schwerwiegende Erkrankungen ein Abschiebehindernis für die Behörden dar. Diese müssen mit einem ärztlichen Attest belegt werden, das in der Regel nicht älter als 14 Tage sein darf und an strenge, von Juristen formulierte Vorgaben geknüpft ist. Viele abgelehnte Asylbewerber haben aber laut Diakonie gar keine Gelegenheit, ein aktuelles und formal korrektes Attest vorzulegen. »Mit dem Ergebnis, dass immer mehr Menschen schwer krank zurück in ihr Herkunftsland fliegen müssen, in dem die medizinische Versorgung meistens deutlich schlechter ist«, heißt es in einer Erklärung.

Auch seien Gutachten von psychologischen Psychotherapeuten nicht mehr erlaubt. »Die Gutachten der Psychosozialen Zentren unseres Verbands, die seit Jahren mit traumatisierten Flüchtlingen arbeiten, werden nicht mehr akzeptiert«, kritisierte Siemens-Weibring. Die Zentren hätten sogar von Abschiebungen ihrer Klienten durch bewaffnete Beamte aus der geschlossenen Psychiatrie heraus berichtet. »Menschen in schweren seelischen Krisen werden retraumatisiert«, mahnt Siemens-Weibring. Selbst eine Suizidgefährdung stelle nun oftmals keinen Grund für eine Aussetzung der Abschiebung mehr dar. »Ich erlebe hier Flüchtlinge, die mit Verband am Handgelenk zum Flughafen gebracht wurden, nachdem sie sich offensichtlich selbst verletzt hatten, als sie früh morgens aus ihrer Unterkunft geholt wurden. Auch das hat die Abschiebung nicht verhindert«, berichtet Höhne. Siemens-Weibring appellierte an die Behörden, »Abschiebungen um jeden Preis, auch den der Gesundheitsgefährdung«, zu verhindern. nd

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