Auf Sand gebaut
Zehn Jahre symbolischer Spatenstich am BER
Von der Champagnerlaune von einst ist nichts geblieben. »Da kann man nicht feiern, weil es ja länger gedauert hat als geplant«, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) zum ersten symbolischen Spatenstich am geplanten Großflughafen BER in Schönefeld am 5. September 2006, der sich an diesem Montag zum zehnten Mal jährt. Von den Protagonisten, die damals den Stechspaten in den märkischen Sand rammten, ist niemand heute mehr in Amt und Würden - weder Berlins damaliger Senatschef Klaus Wowereit noch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) noch der einstige Bahnchef und spätere zwischenzeitliche BER-Geschäftsführer Hartmut Mehdorn.
Wann der Großflughafen BER eröffnet, ist auch zehn Jahre nach Baustart unklar. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) ist, wird im laufenden Abgeordnetenhauswahlkampf zwar nicht müde zu betonen, dass er weiter eine Chance für eine Eröffnung Ende des Jahres 2017 sieht. Aber selbst der von der SPD in Berlin für die Zukunft gewünschte Koalitionspartner, die Grünen, glauben nicht mehr wirklich an diesen Termin. »Ich erwarte, dass Michael Müller klar Farbe bekennt vor der Wahl, ob der Eröffnungstermin 2017 noch zu halten ist«, sagte die Fraktionsvorsitzende der Berliner Grünen, Ramona Pop, der »Berliner Morgenpost« in einem Interview. Außerdem müsse der Flughafen mit den bis jetzt bewilligten Geldern fertig gebaut werden. »Mehr als sechs Milliarden Euro sind mehr als genug für einen Flughafen«, sagte Pop dem Blatt zufolge.
Pünktlich zum Jahrestag des symbolischen Spatenstichs meldete sich Deutschlands größte Fluggesellschaft, die Lufthansa, zu Wort: Die Airline halte es für ungünstig, den Flughafen mit einem knapp genähten Winterflugplan zu eröffnen, mit der Gefahr unter anderem von Schnee und Nebel, sagte der Leiter der Abteilung Konzernpolitik der Lufthansa, Thomas Kropp dem »RBB Inforadio«. Daher sei es besser, den Flughafen nicht wie offiziell weiter geplant Ende 2017, sondern erst im Sommer 2018 in Betrieb zu nehmen. Glaubt die Konzernspitze der Lufthansa etwa nicht mehr an eine Eröffnung 2017?
Die Flughafengesellschaft wies den Vorschlag der Airline umgehend zurück. »Unser Ziel ist es weiterhin die Inbetriebnahme Ende 2017«, sagte ein Sprecher der FBB. »Dazu besteht nach wie vor eine Chance.« Doch eine Garantie will nach der Verschiebung von vier Eröffnungsterminen des Großflughafens im Vorstand der Flughafengesellschaft niemand mehr abgeben.
Und es darf auch getrost bezweifelt werden, dass miese Witterungsbedingungen oder ein dicht gepackter Flugplan die größten Probleme für die Eröffnung des BER darstellen. Die Wahrheit ist: Wichtige Genehmigungen für die Entrauchungsanlage im Terminal durch das zuständige Bauordnungsamt des Landkreises Dahme-Spreewald stehen noch aus. Immer noch geht es dabei um die sogenannte Schnittstelle zwischen Terminal und dem darunter gelegenen Bahnhof. Ungelöst ist nämlich, wie im Fall eines Feuers und der gleichzeitigen Einfahrt mehrerer Züge der Rauch an dieser Schnittstelle abgeleitet werden soll.
Doch die nicht funktionierende Entrauchungsanlage - intern früher das »Monster« genannt - ist nur eines der Probleme beim Bau des BER. »Der Baufortschritt von derzeit 72 Prozent wird nur erreicht, weil man in der Flughafengesellschaft die Probleme einfach ausblendet«, sagt Dieter Faulenbach da Costa dem »nd«. Der unabhängige Experte hat schon diverse Großprojekte für Flughäfen weltweit begleitet. Der Flughafenplaner ist sich sicher: »Die schaffen das nicht, eine Eröffnung Ende 2017 ist illusorisch.« Schließlich würden weitere Nachträge für die Baugenehmigung fehlen, beispielsweise der sechste Nachtrag für die Sicherheitstechnik. Für die inzwischen von der Europäischen Union verlangten »Bodyscanner«, also die sogenannten Körperscanner, gibt es bislang laut Faulenbach da Costa in den geplanten Sicherheitsbereichen des BER keinen vorgesehenen Platz, es fehlen deshalb auch Genehmigungen für Rettungswege und Entrauchung. »Seit 2010 sitzen die daran und können die Sicherheitsanforderungen der EU auch nach sechs Jahren bis heute nicht erfüllen«, kritisiert Faulenbach da Costa. Von den ganzen nötigen Tests und Probeläufen, die viel Zeit in Anspruch nehmen und die noch zu absolvieren sind, ganz zu schweigen.
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