Werbung

Kabul bleibt im Visier der Taliban

Anschläge in der Hauptstadt offensichtlich von unterschiedlichen Gruppen ausgeführt

  • Emran Feroz, Kabul
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Angriff erfolgte wenige Stunden nach einem Doppelanschlag der Taliban-Rebellen, der in der Nähe des Verteidigungsministeriums in Kabul stattgefunden hatte. Diesmal, am Mittwochmorgen, traf es das Gebäude einer Hilfsorganisation im wohlhabenden Viertel Schahr-e Nau der Hauptstadt.

Bereits am Montag war Kabul von einer Anschlagsserie erschüttert worden. Die ersten zwei Bombenattentate fanden am Nachmittag vor den Toren des afghanischen Verteidigungsministeriums im Zentrum statt. Nachdem eine Autobombe explodiert war und Menschen am Anschlagsort zusammengelaufen waren, hatte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Offiziellen Angaben zufolge wurden dabei mindestens 35 Menschen getötet, sowohl Sicherheitskräfte als auch Zivilisten.

Bereits kurz nach dem Anschlag bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tat. Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid hob hervor, dass der Angriff auf das Verteidigungsministerium genaustens koordiniert war und das Ziel gehabt hätte, Militärs zu treffen. Dieses Ziel, so betonen die Extremisten, sei auch erreicht worden. Unter anderem wurden ein General, mehrere Polizeichefs und zwei Leibwächter des afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani getötet. Die Taliban behaupteten sogar, es seien 58 Personen ums Leben gekommen.

Der folgende Taliban-Angriff, kurz vor Mitternacht in Schahr-e Nau, begann mit einem weiteren Bombenattentat. Die Explosion an dem Gebäude einer Hilfsorganisation in Schahr-e Nau war in der gesamten Stadt deutlich wahrzunehmen. Die Gefechte mit den Angreifern zogen sich durch die ganze Nacht. Erst nach elf Stunden wurde der Angriff von der Armee für beendet erklärt. Laut dem Innenministerium wurden von den Sicherheitskräften in dem Gebäude 42 Geiseln gerettet; unter ihnen befanden sich zehn Ausländer. Offiziellen Angaben zufolge wurden alle drei Angreifer im Laufe des Gefechts erschossen.

In vielen Teilen Kabuls herrscht weiterhin Ausnahmezustand. Viele Straßen sind gesperrt. Die Stadtteile Schahr-e Nau und Wazir Akbar Khan, in denen viele Ausländer leben, sind komplett abgesperrt. Während die Taliban sich zu den ersten beiden Angriffen auf das Verteidigungsministerium bekannten, ist dies bei letzterem Anschlag weiterhin nicht der Fall.

In diesem Kontext wird auch die Unterschiedlichkeit der beiden Angriffe deutlich. Die Angriffe auf das Ministerium waren genauestens koordiniert. So wählte man gezielt den Nachmittag als Tatzeitpunkt, um möglichst viele Menschen während ihres Feierabends zu treffen. Der erste Angriff erfolgte mittels einer Autobombe. Erst beim zweiten Angriff kam ein Selbstmordattentäter zum Einsatz. So konnte durch eine einzige Person eine äußerst verheerende Wirkung erzielt werden. Beim nächtlichen Angriff in Schahr-e Nau war dies nicht der Fall. Die Berichte vom Tathergang zeigen, dass die Angreifer völlig unkoordiniert vorgingen. Sowohl die Geiselnahme als auch der Angriff an sich schlugen fehl. Bisher bekannte sich niemand zu der Tat. Auch wurden der Sinn und Zweck des Angriffs nicht deutlich.

Ein Grund hierfür könnte sein, dass innerhalb der afghanischen Taliban mittlerweile Gruppen existieren, die unabhängig von der Führung handeln. »Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass einige Akteure innerhalb der Taliban-Strukturen vollkommen frei handeln und sich mit der Führung nicht absprechen«, meint etwa Waheed Mozhdah, ein politischer Analyst aus Kabul. »Es ist anzunehmen, dass diese Akteure auch die Ressourcen für derartige Angriffe haben. Immerhin haben die Taliban genug Sprengstoff und Waffen in Kabul gelagert«, führt Mozhdah fort.

Ein ähnliches Szenario spielte sich Ende August ab, als die amerikanische Universität in Kabul angegriffen wurde. Die Hintermänner für diesen Angriff sind ebenfalls unbekannt.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.