Alles Tollkühne
Preis für Berliner Verleger
Kaum jemand dürfte den vor drei Jahren verstorbenen Hamburger Diplom-Ingenieur Karl-Heinz Zillmer kennen. Was er nicht verdient hat. Denn er hat einen Preis gestiftet, der alle zwei Jahre verliehen wird und naturgemäß »Karl-Heinz-Zillmer-Preis« heißt. Dotiert ist er mit 10 000 Euro. »Personen des literarischen Lebens« sollen ihn bekommen, die »verlegerischen Mut« gezeigt und sich mit »großem persönlichem Einsatz um die Literatur verdient gemacht haben«. Jetzt hat ihn Jörg Sundermeier erhalten, dessen Arbeit, so die Jury, »verlegerische Besessenheit« zeige. In seinem Verlag finde »alles Tollkühne« ein Zuhause. Sundermeiers Werdegang könnte man eine steile Do-It-Yourself-Karriere nennen. 1995 gründeten zwei literatur- und popmusikbegeisterte Studenten, die aus dem Westfälischen nach Berlin gezogen waren, Werner Labisch und Jörg Sundermeier, in ihrer Stammkneipe einen Kleinverlag, allerdings weniger, um dort tatsächlich Bücher zu veröffentlichen, als zum Spaß. Das bis heute verwendete Verlagslogo, zwei Strichmännchen, muss wohl irgendwer spätnachts in angetrunkenem Zustand entworfen haben. »Am Morgen nach jenem längeren Abend, an dem wir die vorgebliche Verlagsgründung beschlossen hatten, fanden wir einen Bierdeckel, auf dem das Verlagslogo zu finden war«, sagte Sundermeier letztes Jahr im Gespräch mit dem »nd«. Wer es gemalt hat, weiß er nicht mehr.
Doch aus Spaß wurde Ernst. Heute ist der von Literaturkenner und -liebhaber Sundermeier geleitete Verbrecher-Verlag die Heimstatt linker, gesellschaftskritischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Ronald M. Schernikau, Peter O. Chotjewitz oder Gisela Elsner, die eine Zeit lang zu Unrecht vergessen oder vom Buchmarkt als zu sperrig, zu unbequem oder schlicht zu unpopulär aussortiert worden waren. Er gibt die Tagebücher des Anarchisten und Antimilitaristen Ernst Mühsam heraus, die Stücke des kontrovers diskutierten Theaterregisseurs Milo Rau oder die Gedichte des schwarzhumorigen Sängers und Komponisten Georg Kreisler. Derzeit arbeitet man an der Herausgabe nachgelassener Schriften von Peter Weiss.
Sundermeier ist ein scharfsinniger Intellektueller, ein harter Hund, ein unkaputtbarer Arbeiter im Bergwerk der Literatur. Er hat viele Talente: Verlegen, Erzählen, Dozieren. Und: Er interessiert sich leidenschaftlich für das, was er tut. Nebenher schreibt er selbst Bücher sowie Rezensionen und Glossen für verschiedene Zeitungen. Selbst nachts scheint der Mann nicht zu ruhen: Da sieht man ihn in diversen Bars, mit einem Bierkrug in der Hand, geschäftig umhereilen oder sich Hände schüttelnd und Schultern klopfend durchs Gedränge schiebend.
Vor zwei Jahren wurde der Verlag mit dem renommierten Kurt-Wolff-Preis ausgezeichnet.
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