Reiches Deutschland - arme Kinder

Fast zwei Millionen wachsen in prekären Verhältnissen auf / Bertelsmann-Stiftung warnt vor Folgen

  • Fabian Lambeck 
und Maria Jordan
  • Lesedauer: 2 Min.

Deutschland paradox: Während die Zahl der neugeborenen Kinder seit Jahren sinkt, steigt die Zahl der Kinder, die in ärmlichen Verhältnissen leben müssen. Im Jahre 2015 wuchsen bundesweit fast zwei Millionen Kinder unter 18 Jahren in Hartz-IV-Haushalten auf. Das sind 14,7 Prozent aller Kinder und Jugendlichen. Im Vergleich zu 2011 ist das ein Anstieg um 0,4 Prozent oder 52 000 Kinder, wie eine am Montag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt. In neun von 16 Bundesländern lebten im Vergleich zu 2011 anteilig mehr Kinder in Armut, selbst in vermeintlich reichen Ländern wie Baden-Württemberg.

Ostdeutsche Kinder waren besonders gefährdet: Zwar sank die Hartz-IV-Quote leicht auf 21,6 Prozent, blieb aber trotzdem über dem westdeutschen Schnitt von 13,2 Prozent. Zum Vergleich: 2011 betrug die Quote in den alten Bundesländern noch 12,4 Prozent.

Die höchsten Hartz-IV-Quoten bei unter 18-jährigen Jungen und Mädchen gab es in Großstädten: So zum Beispiel in Bremerhaven mit 40,5 Prozent oder Gelsenkirchen mit 38,5 Prozent. In Halle an der Saale traf das 33,4 Prozent und in der Bundeshauptstadt 32,2 Prozent. Eine aktuelle Studie des Berliner Senates zeigt die großen Risikofaktoren: Ein großer Teil der betroffenen Kinder und Jugendlichen lebte dem Bericht zufolge bei einem alleinerziehenden Elternteil. Bei einer noch größeren Gruppe hatte mindestens eines der Elternteile eine ausländische Staatsbürgerschaft. Bundesweit ist jeder vierte Hartz-IV-Bezieher Ausländer.

Für viele der Kinder »ist Armut ein Dauerzustand«, kritisieren die Autoren der Bertelsmann-Studie. Demnach waren 57 Prozent der Betroffenen drei Jahre und länger auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. »Je länger Kinder in Armut leben, desto negativer sind die Folgen«, heißt es dazu in der Studie. Verglichen mit Gleichaltrigen aus Normalverdiener-Familien seien arme Kinder »häufiger sozial isoliert, materiell unterversorgt und gesundheitlich beeinträchtigt«.

Die zuständige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bezeichnete Kinderarmut im Frühsommer noch als »bedrückendes Phänomen«, höhere Sozialleistungen sah sie aber »skeptisch«. So kann es nicht überraschen, dass ausgerechnet die Kleinsten bei der anstehenden Erhöhung der Hartz-IV-Sätze zum 1. Januar leer ausgehen sollen. Der Regelsatz für unter 6-Jährige soll auf unverändert niedrigem Niveau verharren.

Das ruft selbst den Vorstand der Bertelsmann-Stiftung auf den Plan. »Kinder in Armut können ihre Lebenssituation nicht selbst ändern. Deshalb hat der Staat hier eine besondere Verantwortung«, mahnte Stiftungs-Vorstand Jörg Dräger. Der jugendpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Norbert Müller, warf der Koalition vor, sie schrecke vor Investitionen in Kinder zurück: »Man will da nicht ran, weil überall der Fetisch der schwarzen Null das Entscheidende ist«, sagte Müller dem rbb inforadio.

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