»Frankreich wird CETA ablehnen«

Die französische Senatorin Marie-Noelle Lienemann ist überzeugt, dass TTIP und das kanadische Abkommen verhindert werden

  • Lesedauer: 4 Min.

Sie haben bei Ihrer Rede auf der Anti-TTIP-Demonstration in Berlin gesagt, in Frankreich ist dem Abkommen der Todesstoß versetzt worden. Von einer Ablehnung hören wir schon länger. Doch was heißt das konkret?

François Hollande hat am Freitag versichert, dass er die Beendigung der Verhandlungen fordert. Die Mehrheit der französischen Bevölkerung lehnt TTIP ab.

Was die Sozialdemokraten auch in Frankreich nicht daran hinderte, die Verhandlungen führen zu lassen.

Jedes Mal, als in der Parti Socialiste (PS) über TTIP abgestimmt wurde, haben die Sozialisten gesagt, dass sie mit dem Abkommen nicht einverstanden sind. Aber es hieß, dass die Verhandlungen erst einmal eingeleitet werden müssten - und dass man, wenn sie sich am Ende als schlecht erweisen würden, dagegen stimmen würde. Was jetzt der Fall ist.

Welche Stimmung herrscht zu CETA?

Die Mitglieder und die Abgeordneten der Sozialisten lehnen CETA genauso ab wie TTIP. Wir sind überzeugt, dass sich das Abkommen negativ auf unsere Arbeitsnormen, unsere Landwirtschaft und auf viele andere Wirtschaftsbereiche wie die Automobilindustrie auswirken wird. Doch die französische Regierung zeigt sich unentschlossener.

Woran liegt das?

Ich glaube, dass es Gespräche mit dem Kanadischen Premier Trudeau gab. Doch auch CETA muss im Parlament ratifiziert werden. Ich bin mir sicher, dass die Nationalversammlung und der Senat dagegen stimmen werden. Denn die Ablehnung ist strömungsübergreifend, auch ein Teil der französischen Rechten ist gegen CETA. Unter anderem liegt das daran, dass viele Arbeiter in der Landwirtschaft das Abkommen nicht wollen.

Warum sind Sie eigens für die Demonstration gegen TTIP und CETA nach Berlin gekommen?

Ich möchte verhindern, dass Deutsche und Franzosen gegeneinander ausgespielt werden. Uns wird erklärt, wir Franzosen würden gerne gegen CETA stimmen, aber die Deutschen sind dafür. Und Euch und meinen Genossen in der SPD wird in Deutschland gesagt: Wir können CETA nicht ablehnen, denn die französische Regierung ist dafür. Ich finde es wichtig, dass die Proteste zusammenlaufen.

Oder machen Sie bereits Wahlkampf? Sie wollen sich für die französischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr als Kandidatin aufstellen lassen.

Es besteht das Risiko, dass sich der Wahlkampf für oder gegen Europa stellt. Diese Entscheidung halte ich für falsch. Europa ist heutzutage zu stark von Liberalismus, Deregulierung und Lohndumping geprägt. Die Europäische Union braucht eine politische Neuorientierung, wir brauchen ein anderes Europa. François Hollande hatte versprochen sich dafür einzusetzen, es aber nicht getan.

Die Linken innerhalb der französischen Sozialdemokratie meckern immer über Hollande. Wann werden sie gegen ihn revoltieren?

Na, damit haben wir schon begonnen! Es ist das erste Mal in der Geschichte unserer Partei, dass wir gegen Gesetze unserer Regierung stimmen. Im Parlament gab es auch wegen der linken PS-Abgeordneten keine Mehrheit für die Deregulierung des Arbeitsrechts. Wir haben diese Arbeit geleistet. Doch die Regierung griff zu einem juristischen Trick, den Ihr in Deutschland nicht habt, den Artikel 49.3. Er ermöglicht es, gegen den Willen des Parlamentes Gesetze durchzudrücken.

Dagegen hat sich in Frankreich eine Bewegung formiert, die für Demokratie protestierte. Kehrt Nuit Debout nach der Sommerpause zurück?

Leider sieht es nicht danach aus. Die Bewegung hatte nie die Stärke, wie sie etwa in 1968 vorherrschte. Eine Schwäche von Nuit Debout liegt darin, dass die Bewegung keine nachhaltigen Strukturen aufgebaut hat.

Wie wird es mit der Sozialdemokratie weiter gehen?

Die Linke der Sozialistischen Partei hat Vorwahlen eingefordert. Der Kandidat der Sozialistischen Partei wird also vom ganzen linken Volk ausgewählt werden. Wir hoffen sehr, mit unseren Kandidaten eine andere politische Linie gegen François Hollande und Manuel Valls durchsetzen zu können. Denn in Frankreich droht mit dem Front National die gleiche Gefahr wie mit der AfD in Deutschland: Wenn die Linke keine gute Politik macht, erstarkt die Rechte.

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