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CETA und SPD: Opposition grollt, Kapital gratuliert

Linkenchef Riexinger: Auf Kurs der Konzernlobby / Grünenchefin Peter: SPD opfert Standards der Karriere Gabriels / BDI: Das hat die SPD gut gemacht

  • Lesedauer: 6 Min.

Berlin. Nach dem Ja des SPD-Konvents zum umstrittenen Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada sind die Kritiker des Deals enttäuscht. »Der BDI gratuliert - Gabriel pariert«, sagte Parteichef Bernd Riexinger der Deutschen Presse-Agentur. »Die SPD bleibt in der Handelspolitik auf Kurs der Konzernlobby.« Eine Chance für einen Richtungswechsel zu Gunsten sozialer Politik im Interesse der Menschen sei verpasst worden. Riexinger sprach von einem »klaren Bruch mit sozialdemokratischem Ethos«. Der SPD-Konvent in Wolfsburg war am Montag mehrheitlich dem Kurs von SPD-Chef Sigmar Gabriel beim CETA-Abkommen gefolgt, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte das begrüßt.

Auch die Grünen-Vorsitzende Simone Peter hat die grundsätzliche Zustimmung des SPD-Konvents zum geplanten Freihandelsabkommen CETA kritisiert. »Mit ihrer Zustimmung zu CETA opfert die SPD die europäischen Standards den Karriereplänen ihres Vorsitzenden«, schrieb sie am Montag auf Twitter. Die Umweltorganisation BUND und die Gruppe Campact zeigten sich ebenfalls enttäuscht. Am Samstag hatten Zehntausende in Deutschland gegen das EU/Kanada-Abkommen CETA und das mit den USA geplante Abkommen TTIP demonstriert.

Lena Blanken von der Verbraucherorganisation Foodwatch sagte, »ohne inhaltlich substantielle Änderungen darf CETA nicht beschlossen werden, und um verbindliche Korrekturen durchzusetzen, bedarf es der Zustimmung Kanadas und aller 28 EU-Staaten. Solange die Zustimmung aller Beteiligten zu einer Änderung der Vertragsinhalte nicht vorliegt, darf Deutschland CETA nicht unterzeichnen - das muss Sigmar Gabriel durchsetzen. Auf keinen Fall darf der Vertrag in der jetzigen Form vorläufig angewandt werden, auch nicht Teile davon. Die richtige Reihenfolge lautet: Erst verhandeln und verbessern, dann unterzeichnen und anwenden.«

Ein sozialdemokratischer Tweet aus den 1970ern
Zwischen der SPD und den Grünen sorgte das CETA-Ja der Sozialdemokraten zu Verstimmungen - wie ein Disput im Kurznachrichtendienst Twitter zeigte. Die Grüne Renate Künast hatte dort mit Blick auf das Abkommen erklärt, »wenn etwas so schlecht ist, muss man zu der Version Nein sagen«. Sie wandte sich auch gegen »Rumdoktern« an der Vereinbarung. Daraufhin behauptete SPD-Generalsekretärin Katharina Barley, »Grüne haben sich in fünf Jahren Verhandlung nicht für CETA interessiert. Kommen jetzt - sorry - besserwisserisch um die Ecke«, so die Reaktion auf Künast. Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz verbat sich dies mit den Worten, »sonst geht’s gut, ja?«. Worauf SPD-Vize Ralf Stegner sagte, »na, sind wir ein bisschen empfindlich, weil Katarina Barley den Finger in die Wunde gelegt hat?« Einfach nur Nein sagen, könne jeder, so Stegner zu den Grünen. Worauf Renate Künast meinte: »Das hätte auch in den 70ern ein sozialdemokratischer Tweet sein können.«

Linksfraktionschef Sahra Wagenknecht kritisierte mit Blick auf die rot-rot-grünen Debatten, »wenn wir in eine Regierung mit der SPD gehen, dann kann es natürlich weder solche Handelsabkommen geben noch eine Fortsetzung von Lohndumping durch Leiharbeit, Dauerbefristungen, Werkverträge oder aber auch die ganzen Rentenkürzungen«, sagte Wagenknecht. »Da müsste sich sehr, sehr viel ändern. Nur dann hat es auch Sinn, eine neue Bundesregierung zu bilden.«

Industrie begrüßt Ja zu CETA

DIHK-Chef Eric Schweitzer begrüßte hingegen, dass SPD-Chef Gabriel ein grundsätzliches Nein seiner Partei gegen das geplante Freihandelsabkommen abwenden konnte. »CETA ist für die exportstarken deutschen Unternehmen besonders in Zeiten der schwächelnden Weltwirtschaft und eines stagnierenden Welthandels wichtig«, sagte er der »Rheinischen Post«.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo, lobte das Ja des SPD-Parteikonvents ebenfalls. »Die SPD sendet mit ihrer Zustimmung für CETA ein wichtiges Signal für die Bedeutung von Freihandel«, sagte er. »Sie bekräftigt damit den Gestaltungsanspruch Europas für eine bessere und faire Globalisierung, von der die Menschen in Deutschland mit am meisten profitieren dürften. Denn Abkommen wie CETA eröffnen deutschen Unternehmen neue Chancen, sichern Arbeitsplätze und stärken europäische Werte und Standards im Welthandel.«

Konsultationsverfahren vor Ceta-Anwendung

Die Änderungen am Leitantrag beim SPD-Konvent, die besonders auf Vorschläge des SPD-Bezirks Hannover zurückgehen, betreffen ein von der SPD nun gefordertes Konsultationsverfahren unter Einbeziehung der nationalen Parlamente der EU-Staaten. Vor dessen Abschluss soll es keine vorläufige Anwendung des Abkommens geben. Verzögerungen im EU-Beschlussverfahren soll es aber gleichwohl nicht geben. Zudem soll zwischen EU und Mitgliedsstaaten geklärt werden, welche Teile von CETA auch in die nationale Zuständigkeit fallen und nicht allein auf EU-Ebene entschieden werden können. Aus Sicht der SPD soll darunter auch der heikle Investorenschutz fallen. Dieser wäre damit von der seitens der EU-Kommission geplanten vorläufigen Anwendung des Abkommens ausgeschlossen.

Beschlossen wurden von den Delegierten auch die bereits zuvor vom SPD-Vorstand formulierten Bedingungen für CETA, Rechtsstandards für den geplanten Investitionsgerichtshof klarer zu definieren und internationale Arbeitnehmerrechte eindeutig anzuerkennen. Bei Schutzvorbehalten für Bereiche der Daseinsvorsorge wie Gesundheitswesen, Bildung und Soziales will die SPD statt der bisher vorgesehenen Negativliste eine Positivliste durchsetzen. Demnach würde CETA nur in konkret aufgelisteten Bereichen gelten. Das EU-Vorsorgeprinzip im Verbraucherschutz soll ausdrücklich gesichert werden.

SPD-Linke spricht von »gutem Kompromiss«

Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner hat die Zustimmung derweil als Bestätigung für Sigmar Gabriel gewertet. »Das stärkt die Partei und ihren Vorsitzenden«, sagte Stegner am Montag in Wolfsburg. Die nun erzielte Einigung zu dem Abkommen zwischen der EU und Kanada sei ein »guter Kompromiss, kein fauler«. Die SPD habe gezeigt, dass sie Globalisierung gestalten wolle, statt den Menschen Angst zu machen. Der Stand in den Gesprächen mit den Kanadiern über das Handelsabkommen sei »das Gegenteil von der Geheimniskrämerei, die wir zu Anfang bei TTIP hatten«, sagte Stegner in Anspielung auf die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA.

Nach der Zustimmung des SPD-Parteikonvents hat auch der Parteilinke Matthias Miersch Skeptiker aufgefordert, sich am Diskurs über das Handelsabkommen zu beteiligen. Der ausgehandelte Kompromiss sehe vor, dass es vor der vorläufigen Anwendung von Teilen des CETA-Abkommens einen »ausführlichen Anhörungsprozess« zwischen dem Europäischen Parlament, den nationalen Parlamenten und gesellschaftlichen Gruppen gebe. »Alle, die sich in den letzten Wochen artikuliert haben, können nun in diesen Diskurs einsteigen«, sagte Miersch mit Blick auf die Proteste, die es zuletzt gegen das Abkommen gegeben hatte. Der SPD-Politiker äußerte sich zufrieden mit dem Ergebnis des Konvents. »Die Debatte war sehr, sehr sachlich. Ich bin stolz auf diese Partei.« Die SPD habe sehr mit sich gerungen und schließlich den Kompromiss akzeptiert. »Das ist mehr Demokratie wagen in Europa«, sagte Miersch. Man habe die Bedingungen verschärft, die für die Sozialdemokraten für ein Ja zu CETA gelten. Agenturen/nd

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