Gerüchteküche im Pausenraum
Mitarbeiterinnen von Kaiser’s Tengelmann warten auf Klärung der Übernahmefrage
Leberkäse und Weißbier sind in dieser Woche bei Kaiser’s Tengelmann im Angebot. Es ist Oktoberfestzeit in Deutschlands Supermärkten. Auch im Westen des Ruhrgebiets. An der Fleischtheke winkt eine Mitarbeiterin der Kette auf die Frage, was sie von dem Hin und Her um ihr Unternehmen halte, nur ab. Sie ist genervt, Gerüchte um mögliche Schließungen der Filiale machen im Pausenraum die Runde. »Das dauert schon zu lange«, sagt sie und meint die unklare Situation. Es wäre schade, wenn das Geschäft geschlossen würde, sagt sie. Für sich persönlich macht sich die ein wenig rundliche Frau Anfang 40 aber weniger Sorgen. Sie habe gelesen, dass Fleischerei-Fachverkäufer gesucht sind, im Internet habe sie auch schon Stellenangebote in der Nähe gesehen. Mit ihrem Namen möchte sie noch nicht in der Zeitung stehen. Wenn die Chefs zu Ende verhandelt hätten, sei es etwas Anderes, sagt sie.
Am Ende dieser Woche könnte sich die Zukunft der Supermarktkette mit ihren derzeit 15 000 Mitarbeitern entschieden haben. Am Donnerstagabend wollen sich Vertreter von ver.di, Kaiser’s-Tengelmann-Boss Karl-Erivan Haub, der Edeka-Vorstandsvorsitzende Markus Mossa und Alain Capparos vom Konkurrenten miteinander zusammensetzen. Günther Isemeyer, Sprecher der Gewerkschaft ver.di, will sich nicht zu dem Treffen äußern. Man will die Ergebnisse des Spitzentreffens und dann die Aufsichtsratssitzung von Kaiser’s-Tengelmann am Freitag abwarten.
Gesprächiger im Vorfeld ist Rewe-Chef Alain Capparos: Er hoffe auf eine »faire Aufteilung« der Supermarktkette, sagte er der dpa. Dann sei es auch noch möglich, »Arbeitsplätze, Tarifverträge und Mitbestimmung für die Beschäftigten von Kaiser’s Tengelmann zu sichern«. Caparros kann sich auch eine Spitze gegen Tengelmann-Chef Haub nicht verkneifen. Es sei gut, dass dieser »endlich« bereit sei, auch mit Rewe zu sprechen. Sein Konzern, aber auch der Discounter Norma und das Schweizer Handelsunternehmen Markant hatten gegen die Ministererlaubnis geklagt, mit der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel das Übernahmeverbot durch das Bundeskartellamt aushebeln wollte, geklagt - und vorläufig Recht bekommen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte erhebliche Zweifel, dass Gabriel in der Sache neutral sei, da er Geheimgespräche mit Edeka und Kaiser’s Tengelmann geführt hatte. Sigmar Gabriel verteidigt sich, im Interesse des Allgemeinwohls und des Erhalts der Arbeitsplätze gehandelt zu haben.
Aktuell liegen mehrere Szenarien für die Zukunft von Kaiser’s Tengelmann auf dem Tisch. Mitte November befasst sich der Bundesgerichtshof mit der Ministererlaubnis Gabriels. Sollte diese doch als rechtens betrachtet werden, könnte Edeka die komplette Kette übernehmen. Dies würde wohl die meisten Arbeitsplätze sichern, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist eine Zerschlagung. Vor allem Rewe und Edeka würden dann einzelne, für sie profitable Märkte kaufen. Vielen würde allerdings auch das Aus drohen. Und an Interessenten für die Logistik- und Produktionsstandorte von Kaiser’s Tengelmann mangelt es derzeit. Sollte sich am Donnerstag keine Lösung andeuten, gilt es als wahrscheinlich, dass Karl-Erivan Haub bei der Aufsichtsratssitzung Pläne zur Schließung zahlreicher Märkte vorlegt. Davon sollen vor allem Geschäfte in der ursprünglichen Heimatregion Nordrhein-Westfalen betroffen sein.
Vor wenigen Tagen kündigte eine selbstorganisierte Gruppe in Rheinland-Pfalz Aktionen an, um auf den drohenden Verlust ihrer Arbeitsplätze aufmerksam zu machen. Tengelmann-Betriebsrat und die Gewerkschaft ver.di planen allerdings derzeit keine eigenen Proteste, wie ein Sprecher in Düsseldorf sagte. Von Protesten gegen die Schließungspläne hat eine Mitarbeiterin in einer Kaiser’s-Filiale in Düsseldorf noch nichts gehört. Sorgen mache sie sich, sagt die 43-Jährige. Sie hofft, dass »die Gewerkschaft« eine gute Lösung für die Mitarbeiter erzielen könne. Schließungspläne kann sie nicht nachvollziehen. Der Laden laufe gut, es kämen Kunden, sie könne nicht nachvollziehen, was »da oben« schieflaufe. Klar ist, sie wünscht sich eine reibungslose Übernahme und keine Schließung. »Ob auf meinen Klamotten Kaiser’s, Edeka oder sonst was steht, ist mir egal - Hauptsache Arbeit!«
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