Lehrer mit Migrationshintergrund gesucht

Pädagogen sind in der Stadt Mangelware - Universitäten luden zum »Zukunftscampus Neue Lehrkräfte für Berlin«

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 3 Min.

Salih Isik sitzt kerzengerade auf seinem Stuhl. Der Zehntklässler stellt eine Frage nach der nächsten, er wirkt sehr gut vorbereitet und fokussiert. Isik spricht Türkisch, Kurdisch, Deutsch und Englisch. Und möchte Französischlehrer werden. »Ist Französisch auf Lehramt schwer?«, fragt er Mechthild Rutzen, die ihm am »Thementisch« des Zukunftscampus gegenübersitzt. Und schiebt hinterher: »Für einen, der die Sprache abgöttisch liebt?« Die Lehramtsstudentin lacht und sagt: »Das ist schon mal ein sehr gutes Zeichen, dass du so viel Leidenschaft für die Sprache mitbringst.«

Isik ist heute an die Humboldt Universität (HU) gekommen, weil ihn seine Französischlehrerin begeistert hat. Auch sie ist heute hier: Denn mit einer halben Stelle arbeitet Laura Hordoan beim Netzwerk für Lehrkräfte mit Migrationshintergrund, das von der Bildungsverwaltung gefördert wird. Hordoan ist selbst mit elf Jahren aus Rumänien geflohen, sie sagt: »Ich sehe die Ängste der Schüler, aber auch die unheimliche Bereitschaft, es zu schaffen.« Viele Schüler mit Migrationshintergrund trauten sich nicht, Lehrer zu werden. »Sie denken: Ich kann noch nicht so gut deutsch, ich spreche noch mit einem Akzent.« Dabei sind es laut Hordoan genau die mehrsprachigen Lehrkräfte, »die Gold wert sind.« Sie können Vorbild sein, aber auch bei Konflikten mit anderen Lehrern, Eltern und Schülern vermitteln.

Das Netzwerk, das auch die Tagung ausrichtet, will junge Menschen ermutigen: 2011 rief es den Zukunftscampus ins Leben. Einige Jahre firmierte er unter dem Namen »Migramentor Campus«, nun wurde er umgetauft. Unter den 35 Anwesenden haben 40 Prozent Migrationshintergrund, sagt Aleksandra Zagajewski von der Senatsverwaltung. Und ergänzt: »Den Nachnamen zufolge.« Denn offizielle Zahlen zum Migrationshintergrund gibt es nicht, weder der Teilnehmenden noch der Lehramtsstudenten. Es gibt keine Definition, auf die sich alle einigen können, und selbst wenn, dürften die Erhebungen aus Datenschutzgründen nicht herausgegeben werden. So können die Veranstalter auch nicht sagen, ob die Messen etwas gebracht haben. Aber: »Von den 100 Schülern, die sich seit 2011 im Netzwerk angemeldet haben, sind alle Lehrer geworden«, sagt Zagajewski. Das sei auch dem Mentoring-Programm des Netzwerks zu verdanken.

Der Tag wurde umbenannt, weil »die Einladung ein zu stigmatisierendes Signal gesendet hat«, sagt Zagajewski. Ob sie mit der Messe auch schlicht auf mehr Personal für die chronisch unterbesetzten Schulen hofft? »Wir würden uns wünschen, dass wir für den Berliner Schuldienst ausbilden.«

Die großen Universitäten der Stadt bilden alle fürs Lehramt aus. Spitzenreiter ist die HU mit 3700 Lehramtsanwärtern. Wegen des Gehaltsunterschiedes zu anderen Bundesländern ist es für Berlin ein Problem, ausgebildete Lehrer zu halten.

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