Anleihen zum Minuszins

Bei weiter negativen Leitzinsen setzen Unternehmen nun auf Papiere mit Aufschlag

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Mario Draghi und seine Kollegen sind an allem schuld. 58 Prozent der Bundesbürger misstrauen der Zentralbank, wie die letzte »Eurobarometer«-Umfrage der Europäischen Kommission ergab. Dabei verlief der September wieder einmal ausnehmend gut für Anleger. Sowohl die japanische Notenbank als auch die US-amerikanische Fed entschieden, im Großen und Ganzen so weiterzumachen wie bisher. Und auch Draghis Europäische Zentralbank (EZB) will auf absehbare Zeit ihre Politik des billigen Geldes fortführen. Übersetzt für die Börsianer bedeutet dies in den Worten einer Finanzzeitung: »Hausse, soweit das Auge sieht.«

Doch während die Aktienkurse weiter von der Null-Zins-Politik der Notenbanken in die Höhe getrieben werden, verharren die Zinsen im Keller. Diese Geldpolitik soll die Wirtschaft ankurbeln, ärgert aber Sparer und Investoren. Doch auch dort gibt es in oberen Kreisen durchaus Sieger, etwa Konzerne. Sie leihen sich überaus preiswert Geld für ihre Geschäfte.

Negative Renditen für Unternehmensanleihen sind am sogenannten Sekundärmarkt - wo ältere, schon »emittierte« Titel gehandelt werden - nichts Besonderes mehr. Der Verfall der Renditen von Unternehmensanleihen in der Eurozone wird durch Käufe von Draghis EZB begünstigt.

Es gibt aber auch einen realwirtschaftlichen Hintergrund: Solange das Wirtschaftswachstum in der Welt gering bleibt und der technische Fortschritt sich kaum in Produktivitätssteigerungen niederschlägt, lastet auf Zinssätzen und Renditen Druck.

Insgesamt wird das Volumen umlaufender Anleihen mit negativer Rendite von Banken wie der NordLB auf mindestens zehn Billionen Euro geschätzt. Dabei handelt es sich allerdings überwiegend um Staatsanleihen der Eurozone, Japan, der Schweiz, Dänemark und Schwedens, aber auch um Unternehmensanleihen der Deutschen Post oder der Bahn AG.

»Neu sind Negativrenditen allerdings bei Unternehmensanleihen, bei denen Investoren ein Kreditrisiko tragen«, sagt Enzo Puntillo, Analyst des Vermögensverwalters GAM in Zürich. So sind im September erstmals vier Unternehmensanleihen mit null Zinsen herausgekommen.

Dabei handelt es sich um jeweils zwei Anleihen des deutschen Konsumgüterproduzenten Henkel (»Persil«) und des französischen Pharmakonzerns Sanofi (früher Hoechst). Die über zwei Jahre laufende Tranche von Henkel über immerhin 500 Millionen Euro wurde darüber hinaus mit einer negativen Emissionsrendite platziert. Gleiches gilt für eine Milliardenanleihe von Sanofi, die erst 2020 fällig wird.

Beide Wertpapiere wurden zu einem Kurs über dem »Nennwert« von 100 Prozent verkauft. Der Aufschlag auf den Nennwert bei Henkel beträgt 0,05 Prozent. Da außerdem keine Zinsen gezahlt werden, erhalten die Anleger am Ende der Laufzeit also weniger Geld zurück, als sie den Konzernen geliehen haben.

Paradoxe Finanzwelt: Anleiheemittenten wie Henkel werden somit dafür bezahlt, dass sie sich Geld leihen - während Investoren Geld verlieren, wenn sie die Anleihe bis zur Fälligkeit halten. Warum sollten Geldgeber also in solche Anleihen investieren?

»Diese Renditen mögen irrational niedrig erscheinen«, kommentiert Puntillo. »Allerdings haben diese kurz laufenden Unternehmensanleihen für bestimmte Investoren dennoch einen Wert.« Das gelte vor allem für gesetzlich regulierte Investoren wie Versicherer oder Pensionsfonds. Sie müssen das Geld ihrer Kunden nach bestimmten Regeln vor allem sicher anlegen. Für sie stellten Unternehmensanleihen von Spitzenkonzernen eine bessere Geldanlage dar als beispielsweise zweieinhalbjährige Bundesanleihen mit einer Rendite von -0,64 Prozent.

Für Henkel, Sanofi und demnächst andere Großkonzerne sind Negativrenditen selbstverständlich lukrativ, werden aber kaum real investiert. »Sie nutzen es vor allem für sogenanntes Financial Engineering«, erklärt Puntillo. Konzerne refinanzieren lieber ältere, teurere Schulden oder nutzen die Mittel für Aktienrückkaufprogramme.

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