Morden an der Heimatfront
Die TV-Serie »Quarry« erzählt einen fiebrigen und abgründigen Thriller
Die TV-Serie »Quarry« vermischt Elemente verschiedenster Vietnam- und Heimkehrer-Dramen wie dem ersten »Rambo«-Film, »Taxi Driver«, »Die durch die Hölle gehen« oder »Geboren am 4. Juli«. Doch die düstere, tragische und gewalttätige Erzählung der Macher von »True Detective« (Steve Golin) und »Rectify« (Graham Gordy, Michael D. Fuller) setzt noch eine Ebene drauf bzw. einen Abgrund darunter. Denn der 1972 schwer traumatisiert aus Vietnam nach Memphis/USA heimkehrende Mac (Logan Marshall-Green) wird zurück in der Heimat nicht nur von der Frau betrogen, von Linken angefeindet, von Arbeitgebern ignoriert, vom Wohlfahrtsstaat vergessen und von der Normalbevölkerung geschnitten. Er rutscht zudem nach dem Horror in Vietnam gleich in den nächsten Alptraum hinein: Durch eine unglückliche Verkettung von Ereignissen steht Mac bald in den Diensten eines Rings von Auftragsmördern. Deren Chef (Peter Mullan) nennt sich nur »der Broker« und wirbt gezielt labile Kriegsveteranen als bezahlte Killer an. Denn diese Kandidaten haben meistens kein Geld, ihre sozialen Kontakte sind zerrüttet und ihr moralisches Gerüst sowieso. Sie sind also leichte Beute - und sie beherrschen die Kunst des Tötens.
Mac sträubt sich zunächst dennoch. Und so vergeht erst einmal viel Zeit, bis die Thrillerhandlung Fahrt aufnimmt - zu viel, wie nun einige Kritiker finden. Und auch als das Morden an der Heimatfront endlich losgeht, genehmigen die Autoren der Handlung immer wieder Verschnaufpausen, in denen wir die (Selbst-)Zerstörung noch der letzten Reste von Macs erbärmlichem Privatleben bezeugen. Außerdem wird immer wieder eine etwas penetrante Wasser-Symbolik genutzt, um Macs »Untergang« zu visualisieren: Er geht dann im Wasser unter (immer wieder). Dabei erscheinen ihm gruselige asiatische Masken, was mit dem Zaunpfahl auf sein Kriegstrauma hindeutet - Mac war an einem auf My Lai anspielenden Massaker beteiligt. Was aber genau geschehen ist und was seine Rolle dabei war, bleibt zunächst unklar. Zu Hause teilen sich die Reaktionen darauf in Hass durch »die Hippies« und in komplizenhafte Übereinkunft durch die »schweigende Mehrheit«, die sich dadurch aber noch lange nicht aufgefordert fühlt, psychischen Wracks wie Mac Hilfe anzubieten.
»Quarry« beruht auf einer seit 1976 erschienen Romanreihe von Max Allan Collins und die Macher nutzen einige der Elemente, die in der ersten Staffel von »True Detective« so faszinierten. So spielen beide Serien im Süden der USA und beide Produktionen verströmen auch jenseits der geografischen Eigenheiten eine fiebrige und sumpfige Grundstimmung als sei die Handlung mit Malaria infiziert. Dazu kommt die Fixierung auf kleine und gemeine Details, spleenige Psychopaten und jenen Horror, der sich oft und gerade hinter einer langweilig anmutenden Normalität verbirgt. Memphis als Ort der Geschehnisse bringt außerdem den Reichtum der dortigen afroamerikanischen Kultur mit ein. Kritisieren könnte man, dass die Darstellung des damaligen Rassismus nicht drastisch genug ist.
Davon abgesehen, wurden aber Lebensgefühl, Mode, Frisuren und Inneneinrichtungen des Sommers 1972 mit aufwendiger Ausstattung und durchweg ordentlichen Darstellern authentisch eingefangen. Die damalige politische Paranoia, der verbreitete Hang zur Selbstzerstörung und historische Fixpunkte erklingen aus den Röhrenfernsehgeräten - neben ganz viel Musik, die oft live gespielt wird, aus Radios tönt, mitgesungen und diskutiert wird. Der schwarze Soul und Blues gibt in »Quarry« den gemächlichen und gefährlichen Rhythmus vor - und der Besitz der falschen Langspielplatte kann hier auch schon mal ein Todesurteil bedeuten.
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