Koalition will Sozialleistungen für EU-Bürger beschränken
Anspruch bei Arbeitslosigkeit erst nach fünf Jahren / LINKE und DGB: Soziale Absicherung muss für alle gelten
Berlin. Die Bundesregierung will Sozialleistungen für EU-Ausländer in Deutschland deutlich stärker beschränken. EU-Bürger sollen künftig frühestens nach fünf Jahren Hartz IV oder Sozialhilfe bekommen können, wenn sie hier nicht arbeiten, selbstständig sind oder einen Leistungsanspruch mit vorheriger Arbeit erworben haben. Das sieht ein Gesetzentwurf von Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) vor, der am Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen wurde.
»Klar ist: Wer hier lebt, arbeitet und Beiträge zahlt, der hat auch einen berechtigten Anspruch auf Leistungen aus unseren Sozialsystemen«, sagte Nahles. »Wer jedoch noch nie hier gearbeitet hat und für seinen Lebensunterhalt auf staatliche finanzielle Unterstützung aus der Grundsicherung angewiesen ist, für den gilt der Grundsatz: Existenzsichernde Leistungen sind im jeweiligen Heimatland zu beantragen.« Die Betroffenen können jedoch Überbrückungsleistungen bis zur Ausreise erhalten – längstens für einen Monat.
Das Bundessozialgericht hatte vergangenes Jahr geurteilt, dass EU-Bürger schon bei einem Aufenthalt ab sechs Monaten in Deutschland Hilfe zum Lebensunterhalt beantragen können. Städte und Gemeinden warnten daraufhin vor zu hohen Kosten. Nun ist der Weg für das parlamentarische Verfahren nach monatelangen Beratungen in der Bundesregierung frei. Nahles betonte, durch die Gesetzesverschärfung werde das Vertrauen in die Arbeitnehmerfreizügigkeit gestärkt. »Und wir schützen unsere Kommunen vor finanzieller Überforderung, die die Sozialhilfeleistungen zu schultern haben.«
Im Juni bekamen hierzulande knapp 450.000 Menschen aus anderen EU-Staaten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II – das waren 12,1 Prozent aller in Deutschland lebenden EU-Ausländer. Darunter waren 135.000 Bulgaren und Rumänen, wobei 42 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten aus Bulgarien und Rumänien erwerbstätig waren und ihren Lohn mit den Leistungen aufstockten.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kritisierte den Gesetzentwurf als möglicherweise grundgesetzwidrig. Menschen, die sich in Deutschland aufhalten und deren Verlust des Aufenthaltsrechts nicht bindend festgestellt sei, hätten ein Recht auf die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz, sagte Buntenbach. Dies gelte unabhängig von ihrer Nationalität. Kritik kam auch aus den Reihen der Linkspartei.
»Während bei der Förderung von Unternehmen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden und nichts zu teuer ist, bleibt die soziale Absicherung von EU-Bürgerinnen und Bürgern auf der Strecke«, warnte die Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sabine Zimmermann. Das Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums müsse für alle Menschen in Deutschland gelten und dürfe daher nicht eingeschränkt werden. »Wir wollen ein Europa für die Menschen und dazu gehört auch die soziale Absicherung«, so Zimmermann.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung stellt indes eine »positive Beschäftigungsentwicklung« bei Zuwanderern aus EU-Staaten fest. Allein im Juli lag die Zahl ausländischer Beschäftigter aus der EU um 189.000 Menschen über dem Vorjahresmonat. Bei Bulgaren und Rumänen stieg ihre Zahl um knapp 74.000 Personen. Die Arbeitslosenquote der EU-Ausländer lag im Juli bei 8,8 Prozent, bei Personen aus Bulgarien und Rumänien bei 9,3 Prozent. Insgesamt lag die Quote bei 6 Prozent.
Die CSU begrüßte den Entwurf des Arbeitsministeriums im Grundsatz. »Es ist der richtige Weg, dass Frau Nahles die durch das Bundessozialgericht eröffnete Lücke für einen unkontrollierten Zuzug in unser Sozialsysteme nun schließt«, sagte Bayerns Sozialministerin Emilia Müller der Deutschen Presse-Agentur. Nun gelte es abzuwarten, wie wirksam das neue Gesetz sein werde. Ein bloßes Ersitzen von Sozialleistungen für Zuwanderer dürfe es nicht geben. Agenturen/nd
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