»Reichsbürger« schießt bei Razzia in Bayern auf Polizisten

Rechtsradikaler verletzt vier Beamte schwer / 49-Jähriger sollte Waffen abgeben / LINKE: Gefahr der Bewegung klar unterschätzt

  • Lesedauer: 3 Min.

Nürnberg. Bei einer Razzia in Georgensgmünd in Bayern hat ein Anhänger der rechtsradiklalen »Reichsbürger« auf mehrere Polizisten geschossen. Dabei seien vier der Beamten zum Teil schwer verletzt worden, teilte das Polizeipräsidium Mittelfranken am Mittwoch in Nürnberg mit. Der 49 Jahre alte selbst ernannte »Reichsbürger« wurde demnach leicht verletzt und festgenommen.

Wie das bayerische Innenministerium mitteilte, sollten am Mittwoch die Waffen des 49-Jährigen sichergestellt werden, die der Mann zwar legal besaß. »Er galt jedoch als nicht mehr zuverlässig für den Besitz der Waffen«, erläuterte der Polizeisprecher. Daher wollte das Landratsamt Roth die Waffen einziehen. Spezialkräfte der Polizei hätten den Einsatz begleitet. Der Mann habe aber sofort das Feuer auf die Beamten eröffnet. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) reiste nach Roth, er wollte im Laufe des Vormittages über die Ermittlungen informieren. »Ich bin entsetzt über den Fall«, sagte Herrmann. Es sei eine »bisher so in Bayern nicht gekannte Eskalation«.

Fakten zu den Reichsbürgern

Leipzig. Die Schüsse eines sogenannten »Reichsbürgers« auf Polizisten in Franken sind nicht die erste Gewalttat von Anhängern dieser Szene. Erst im August kam es in Reuden in Sachsen-Anhalt zu einer Schießerei zwischen einem »Reichsbürger« und der Polizei, weil sein Gehöft zwangsgeräumt werden sollte. Der »Reichsbürger«,ein ehemaliger »Mister Germany«, wurde dabei schwer verletzt, auch mehrere Beamte erlitten Verletzungen.

Ebenfalls im August schleifte in Baden-Württemberg ein der »Reichsbürger«-Szene zugerechneter Mann einen Polizeibeamten mehrere Meter mit dem Auto mit, als dieser ihn kontrollieren wollte.

Die in etliche Kleinstgruppen zersplitterten »Reichsbürger« erkennen die Bundesrepublik nicht an. Sie gehen davon aus, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 noch existiert. Entsprechend verweigern viele dieser Reichsbürger Zahlungen wie Steuern oder Bußgelder an den Staat. Zahlenmäßig lässt sich die Bewegung bislang nicht konkret beziffern.

Nach Einschätzung der Bundesregierung handelt es sich zumeist um Einzelpersonen oder »Angehörige von Kleinstgruppen«. Zu den von Reichsbürgern begangenen Straftaten zählen demnach vor allem Beleidigungen, Nötigungen, Volksverhetzung, Urkundenfälschung, aber auch Erpressungen, vereinzelte Körperverletzungen und Verstöße gegen das Waffengesetz.

Die Bundesregierung warnte erst vor kurzem vor einer Radikalisierung der Bewegung. Das aggressive Verhalten von Reichsbürgern gegen Vollzugsbeamte belegte, »dass zumindest in Teilen der Bewegung anlassbezogen auch vor schwersten Gewalttaten bis hin zu Tötungsdelikten nicht zurückgeschreckt wird«, hieß es im September in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen.

Zuvor schrieb das Bundesinnenministerium auf eine Kleine Anfrage der LINKEN, es sei »nicht auszuschließen, dass sich der Aktionismus und die Aggression im Reichsbürger-Milieu verstärken und es zu Radikalisierungseffekten kommt«.

Ein Teil der Szene vertrete »rechtsextremistische Argumentationsmuster«. Zudem würden die »oftmals schon im Ansatz abstrusen Reichsbürgerthesen auch im neonazistischen Spektrum und im Spektrum der Holocaustleugner für gut befunden und um antisemitische Konstrukte ergänzt«. Die Verfassungsschutzbehörden beobachten demnach auch die Resonanz, die die Ideologie der Reichsbürger in der rechtsextremistischen Szene findet.

Auch Brandenburgs Verfassungsschutz warnte bereits vor bewaffneten »Reichsbürgern« und beobachtet die Szene seit längerem. Die Polizei in dem Bundesland stieß bei Hausdurchsuchungen wiederholt auf Waffen und große Mengen von Munition. dpa/nd

Die LINKEN-Politikerin Ulla Jelpke warf den Behörden vor, die von der Gruppe ausgehende Gefahr unterschätzt zu haben. »Die Vorfälle von Georgensmünd zeigen erneut deutlich die Gefährlichkeit von Rechtsextremisten und Neofaschisten in Deutschland«, sagte Jelpke am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP.

»Damit dürfte die viel zu lange von Sicherheitsbehörden und der Bundesregierung gepflegte Mär, wonach es sich bei den sogenannten Reichsbürger vor allem um Querulanten und Spinner handelt, widerlegt sein«, fügte die Innenexpertin hinzu. »Hinter der wirren Reichsbürgerideologie verbergen sich oftmals knallharte Rechtsextremisten, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken.«

Die Grünen-Innenexpertin Mihalic rief die Sicherheitsbehörden zum Handeln auf. »Die Schüsse auf die Polizei durch Reichsbürger zeigen erneut, dass die Reichsbürger nicht nur eine spinnerte Ideologie vertreten, sondern eine reale Gefahr für die innere Sicherheit darstellen«, sagte Mihalic AFP.

»Es kann nicht sein, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Reichsbürger immer noch nicht auf den Schirm nimmt«, fügte sie hinzu. »Reichsbürger stellen unseren Staat und die Verfassung grundsätzlich infrage und versuchen in Teilen diese Sicht mit Waffengewalt durchzusetzen.« Was brauche es noch, um diese Bewegung genauer zu untersuchen?

Auch die SPD warf der Staatsregierung »große Defizite bei der Einschätzung des Gefährdungspotenzials in diesen Gruppierungen und Szenen« vor. Sie verfüge zum Beispiel über kein Lagebild der illegalen Bewaffnung im Freistaat, sagte der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für die Bekämpfung des Rechtsextremismus, Florian Ritter, am Mittwoch. »Sie kann dieses Lagebild weder im Allgemeinen noch in Bezug auf bestimmte radikale Szenen, wie die Reichsbürgerbewegung liefern.«

Die »Reichsbürger« erkennen die Bundesrepublik nicht an und gehen davon aus, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 noch existiert. Bereits Ende August hatte ein »Reichsbürger« bei einer Zwangsräumung in Sachsen-Anhalt um sich geschossen und zwei Polizisten verletzt. Agenturen/nd

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