Spanien bekommt wieder reguläre Regierung
Konservativer Rajoy mit Unterstützung der Sozialdemokraten zum Premier gewählt / Minderheitskabinett braucht Unterstützung aus der Opposition
Madrid. Spanien bekommt nach einem mehr als zehnmonatigen politischen Tauziehen und zwei Parlamentswahlen wieder eine reguläre Regierung. Der bisher nur geschäftsführend regierende Ministerpräsident Mariano Rajoy von der konservativen Volkspartei (PP) setzte sich am Samstagabend bei der zweiten Parlamentsabstimmung über seine Kandidatur mit 170 Ja-Stimmen, 111 Nein-Stimmen und 68 Enthaltungen durch.
Da sich die meisten Abgeordneten der sozialdemokratischen PSOE wie angekündigt der Stimme enthielten, erreichte der 61-Jährige Rajoy die erforderliche einfache Mehrheit und kann nun eine Minderheitsregierung führen.
König Felipe VI. hatte Rajoy Anfang der Woche mit der Regierungsbildung beauftragt, um so in letzter Minute drohende dritte Parlamentswahl binnen eines Jahres abzuwenden. Diese hätte im Dezember stattfinden müssen, wenn sich die Parteien bis Ende Oktober nicht auf einen Kandidaten geeinigt hätten. Am Donnerstag war Rajoy beim ersten Votum gescheitert und hatte die nötige absolute Mehrheit um sechs Stimmen verpasst.
In der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone hatte sich nach der Wahl im vergangenen Dezember eine politische Pattsituation ergeben, die auch nach einer zweiten Wahl im Juni fortbestand. Hintergrund der Blockade war vor allem das erfolgreiche Auftreten der Linkspartei Podemos und der liberalen Partei Ciudadanos, die die seit langem festgefahrenen politischen Verhältnisse durcheinandergebracht hatten. Zwar erhielt die PP beide Male die meisten Stimmen, verfehlte die absolute Mehrheit aber deutlich.
Rajoy, der 2011 zum ersten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, hatte bereits Anfang September versucht, eine Regierung zu bilden. Damals war er im Parlament am Widerstand der oppositionellen Sozialdemokraten gescheitert. Jetzt lenkten diese auch deshalb ein, weil eine dritte Wahl der Partei vermutlich mehr geschadet als genutzt hätte.
Bei Regionalwahlen in Galicien und im Baskenland hatte die PSOE zuletzt herbe Schlappen erlitten. Hinzu kam der Rücktritt ihres Chefs Pedro Sánchez. Als vehementer Kritiker Rajoys galt er lange als einer der Hauptverantwortlichen für die Blockade - nach seinem Abgang zeigten sich die Sozialdemokraten versöhnlicher. Sánchez hatte am Morgen auch sein Mandat als Abgeordneter niedergelegt, weil er Rajoy nicht unterstützen wollte.
Beobachtern zufolge steht diesem eine schwierige Legislaturperiode bevor, weil er mit nur 137 der 350 Parlamentssitze ohne Unterstützung aus der Opposition kaum handlungsfähig ist. Für den geplanten Sparhaushalt 2017 etwa kann er wohl weder auf die Hilfe der Sozialdemokraten noch anderer Linksparteien hoffen. »Spanien braucht eine Regierung, die auch regieren kann«, hatte Rajoy kurz vor der Abstimmung betont. Er forderte alle Parteien auf, unter seiner Führung eine verantwortungsvolle und konstruktive Politik zu betreiben. dpa/nd
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