Blackfacing beim SWR: Weder lustig noch harmlos

»Verstehen Sie Spass?« spielte mit rassistischen Klischees / Schwarze Interessensverbände kritisieren Öffentlich-Rechtliche als beratungsresistent

  • Florian Brand
  • Lesedauer: 4 Min.

Weiße Menschen, die sich als Schwarze verkleiden (genannt: Blackfacing = das Gesicht schwarz anmalen) und zur Belustigung anderer Weißer rassistische Klischees reproduzieren - Soweit, so zurückgeblieben. Was eigentlich als Relikt einer längst vergangen geglaubten, kolonialen Unterhaltungspraktik aus dem 18. und 19. Jahrhundert gilt, scheint sich offenbar bis heute in den Köpfen einiger RedakteurInnen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens als legitime Spassmacherei gehalten zu haben, wie am vergangenen Wochenende vom Südwestrundfunk (SWR) demonstriert wurde.

In der Fernsehsendung »Verstehen Sie Spass?« ließ sich Moderator Guido Cantz als (schwarzer) Vater aus Südafrika verkleiden, der seine verloren geglaubte (weiße) Tochter in Deutschland sucht, um den (schweizer) Moderator Röbi Koller in seiner Sendung »Happy Day« zu veralbern. Doch der »Gag« ging gehörig nach hinten los. Nicht nur, dass die Praktik des Blackfacing alleine längst als durch und durch rassistisch entlarvt wurde. Cantz gab sich in der Rolle des suchenden Vaters offenbar alle Mühe, kein Vorurteil auszulassen und imitierte klischeeüberladen irgendeinen Akzent, den er wohl für südafrikanisch hielt. Daneben bestand seine Maskerade neben einer »neuen Nase« auch aus dicken Lippen und aufgesetzten Augenbrauen.

Dabei hätte dem Sender bereits vor der Ausstrahlung klar sein müssen, dass sein Handeln auf andere Menschen diskriminierend und verstörend wirken könnte. Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) forderte den SWR in einer Stellungnahme auf, den Sketch aus der Sendung zu nehmen. »Diese Form der Darstellung Schwarzer Menschen führt eine rassistische Tradition fort, die – auch in Deutschland – zu keinem Zeitpunkt hinnehmbar war oder ist.« Mit Cantz Darstellung würden »rassistische Bilder von als dümmlich dargestellten Afrikaner_innen aufgerufen und reproduziert«.

In einer ausführlichen Replik seziert der Aktivist Ali Schwarzer auf dem Blog Übermedien.de, welche negativen Konnotationen dieser misslungenen Darbietung beiwohnen. So befeuere »Verstehen Sie Spass?« einerseits das Klischee, dass es Schwarze in der Mitte unserer Gesellschaft schlicht nicht gibt oder fähig genug seien, diese Rolle in der Sendung selbst auszufüllen (wie es beispielsweise in anderen Clips der Sendung durch andere DarstellerInnen getan wird). Zu dem wird die »Angst vorm schwarzen Mann« reproduziert, der den Moderator verunsichern soll. In Schwarzer ruft das Erinnerungen an reale Situationen hervor, in denen er (beispielsweise auf Job- oder Wohnungssuche) diskriminiert wurde.

»Die sogenannte Pointe lebt offenbar davon, dass es eine böse Überraschung sein soll, wenn man einen schwarzen Vater hat«, so der ehemalige Präsident der Schweizer Kommission gegen Rassismus, Georg Kreis gegenüber dem Schweizer Boulevardblatt »Blick«. Er hält den »Scherz« für »tendenziell rassistisch«. Der veräppelte (weiße) Moderator Koller hingegen, kann darüber nur lachen. »Ich finde den Sketch den Hammer! Ihn mit Rassismus in Verbindung zu bringen, ist absoluter Quatsch. Es gibt Sketche über Deutsche, Österreicher oder Inder, und über die regt sich niemand auf. Nur bei Schwarzen kommt die Rassismus-Keule«, so der Moderator im »Blick«.

Auch beim SWR selbst scheint es keinerlei Einsicht über den diskriminierenden Fehlgriff zu geben. In einer Stellungnahme wird der Sketch gar verteidigt: »In dem aktuellen Film geht es inhaltlich darum, Herrn Koller eine Verwechslung vorzuspielen. Dafür war es notwendig, deutlich zu machen, dass der verkleidete Guido Cantz nicht der leibliche Vater der vermeintlichen Überraschungskandidatin sein kann.«

In seinem Kommentar kritisiert Schwarzer die Stellungnahme des Senders ausdrücklich und schreibt: »Was hier mit reinspielt, ist die weiße Annahme, dass Schwarze Menschen keine weißen Kinder haben können. Ich lüfte jetzt ein kleines Geheimnis: Von alabasterweiß bis super black ist alles möglich.«

Es ist nicht das erste Mal, dass sich öffentlich-rechtliche Anstalten diese Form der rassistischen Diskriminierung zu Unterhaltungszwecken zu eigen machen. Vor einiger Zeit manövrierte sich die ebenfalls traditionsbehaftete Sendung »Wetten dass…?« ins Abseits, als in einer Sendung in Augsburg die ZuschauerInnen aufgerufen wurden, als Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer im Studio zu erscheinen. Die Folge: in Scharen kamen Pärchen mit schwarz gemaltem Gesicht. Im Netz brach daraufhin ein Shitstorm aus, der dem ZDF Rassismus vor warf. Der Sender wies die Vorwürfe damals als »absurd« zurück.

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