Sex ist in Kamerun ein Tabuthema

Aufklärung per App soll in dem westafrikanischen Land gegen ungewollte Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten helfen

  • Ngala Chimtom und 
Kristin Palitza
  • Lesedauer: 3 Min.

Als Valerie Akaba zum ersten Mal ihre Tage bekam, schämte sie sich. Sie fürchtete, die Blutung könnte eine Krankheit sein. Mit 15 wurde die junge Frau aus Kamerun schwanger. »Ich war im vierten Monat und wusste es nicht. Die Regelblutungen hatten aufgehört und ich dachte, ich sei auf wundersame Art von einer Krankheit geheilt worden«, erinnert sie sich an die Ereignisse von vor drei Jahren.

Mit der Tochter über Sex zu sprechen, das war für ihre Eltern unmöglich. Dieses Tabuthema wird in dem westafrikanischen Land nicht angesprochen. Wie viele Teenager kam Valerie in die Pubertät, ohne die Veränderungen zu verstehen, die ihr Körper durchmachte. So konnte sie auch keine Entscheidungen über ihre sexuelle Gesundheit treffen. Sie entschied sich für eine illegale Abtreibung, die sie fast das Leben kostete.

Etwa 40 Prozent aller Schwangerschaften in Kamerun sind ungeplant, wie aus einem Bericht des Guttmacher-Instituts aus dem Jahr 2014 hervorgeht. Mehr als ein Drittel von ihnen werde mit unsicheren Abtreibungen abgebrochen, schrieb das US-Institut. Knapp 15 Prozent aller Mädchen im Alter zwischen 15 und 19 waren mindestens einmal schwanger. Teenager wissen kaum etwas über HIV, Geschlechtskrankheiten, Familienplanung oder einfach nur Sex an sich. Das möchte Mallah Tabot, eine 28 Jahre alte Unternehmerin, nun ändern. Sie hat mit »Ndolo360« eine App entwickelt, mit deren Hilfe Nutzer anonym Fragen über Sexualhygiene und sexuelle Gesundheit stellen können. »Sexperten« wie Ärzte oder Sozialarbeiter geben rasch Antwort. Die App wurde vor einigen Wochen eingeführt und ist auf Englisch und Französisch erhältlich. In der App finden Nutzer Informationen über Sex und Familienplanung, Spiele und Quiz, sowie eine landesweite Datenbank mit Einrichtungen für Jugendliche. »Ndolo« heißt »Liebe« in der Sprache der Duala-Volksgruppe.

Tabot warnt vor einem Teufelskreis von Teenager-Schwangerschaften, erhöhten HIV-Infektionsraten, Sterblichkeit und Erkrankungen, solange es keine alternativen Möglichkeiten gibt, jungen Menschen Aufklärungsunterricht zu geben - jenen, die ihn am dringendsten brauchen. »Die Menschen haben das Recht, Entscheidungen über ihren Körper zu treffen, und diese App wurde entwickelt, um ihnen zu helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen«, sagt Tabot, die auch für die Hilfsorganisation United Vision tätig ist. Diese bietet in der Hauptstadt Jaunde Sexualkunde-Informationen an.

Benutzer zeigten sich in ersten Kommentaren auf der Internetseite von »Ndolo360« zufrieden: »Ich habe viele Dinge entdeckt, von denen ich glaubte, dass ich sie wüsste, aber falsch lag«, schreibt jemand. Eine andere Nutzerin meint: »Es gibt dort die richtigen Infos über sexuelle Gesundheit, die ich von meinen Eltern noch nicht bekommen habe.«

Die App habe das Potenzial, kulturelle Barrieren zu umgehen, meint auch Rogers Ajeh, vom Institut für Entwicklungsforschung in Kameruns Hauptstadt Jaunde. Er schlägt sogar vor, mit Hilfe von eingebauter Software statistische Daten zu sammeln, um den Effekt der App zu messen.

Valerie, die mittlerweile als Friseurin arbeitet, gehört zu den ersten Benutzerinnen von »Ndolo360«. Über Sex zu sprechen, falle ihr so viel leichter, sagt sie. »Es ist viel einfacher, wenn man jemandem, den man nicht kennt, eine Nachricht schickt und passende Erklärungen für das Problem bekommt.« dpa/nd

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