Kräuterlikör-Hersteller verhohnepiepelt Magdeburg
Vorurteile als Umsatzbringer: »Fernet Branca«-Werbung macht sich über deutsche Städte lustig
In Hallenser Kneipen wird dieser Tage zum Essen wohl öfter mal ein »Fernet Branca« bestellt. Grund: Die aktuelle Werbekampagne für den Kräuterbitter nimmt mit Magdeburg eine Stadt aufs Korn, mit der Halle in inniger Rivalität verbunden ist – aktuell in der Frage, wer europäische Kulturhauptstadt werden soll. Da kommt ein giftiger Seitenhieb wie der der Likörfirma gerade recht. Mit dem Motto »Life is bitter« preist sie das italienische Gebräu als Tröster in ernüchternden Lebenslagen. Im Fall der Hauptstadt von Sachsen-Anhalt ergibt sich der Trostbedarf aus einer Erfolgsbotschaft mit Kehrseite: »Endlich wirst du befördert«, heißt es da – »Und nach Magdeburg versetzt.«
Als gefürchtete Karrierestation ist Magdeburg – so viel Trost darf sein – immerhin nicht allein. Die Kampagne tritt mit der gleichen Botschaft neben Offenbach und Pinneberg auch Duisburg und Chemnitz vor das Knie – Städte, die es ohnehin nicht leicht haben. Im »Stadtmarken Monitor« der Beratungsfirma Brandmeyer lag die sächsische Stadt zuletzt auf Rang 44, die Ruhrpottstadt auf dem 50. und letzten. Magdeburg platzierten die 5000 für die Studie Befragten auf Platz 32 – neun Ränge vor Halle.
Umfragen hat die Werbeabteilung bei »Borco Marken Import«, der deutschen Vertriebsfirma für »Fernet«, indes gar nicht erst bemüht, sagt Sprecher Stephan Schönberg. Die Suche nach Orten, die »allgemein gängigen Klischees zufolge weniger lebenswert erscheinen als andere in der Region«, sei auf das Team beschränkt geblieben, das die in Dänemark bereits erfolgreiche Kampagne auf den deutschen Markt zugeschnitten habe. Die Mitarbeiter, fügt der Borco-Mann an, stammten dabei »zum Teil selbst aus den besagten Städten«. Sie scheinen froh zu sein, dass ihre Karriere sie von dort weg nach Hamburg geführt hat.
Das »ironische Augenzwinkern«, das die Likörverkäufer den »bitteren Momenten des täglichen Lebens« abtrotzen wollen, will sich in den durch den Kakao gezogenen Städten nicht recht einstellen. In Chemnitz macht man immerhin gute Miene zum bösen Spiel: Rathaussprecher Robert Gruner hegt die fromme Hoffnung, die Kampagne könne Anlass sein, die Stadt zu besuchen, »um sich vom Gegenteil zu überzeugen«. Immerhin gebe es neben dem Marx-Monument auch tolle Museen und eine attraktive Universität. Die Frage, mit welchem Tropfen man in der Stadt den Ärger über die bittere Kampagne hinunterspüle, lässt er unbeantwortet.
In Duis- und Magdeburg zeichnet sich immerhin ab: Zum »Fernet« wird nicht mehr gegriffen. In der Stadt im Ruhrpott kursieren boshafte Reaktionen wie die, der Likör werde in der örtlichen Kanalisation abgefüllt. Lokalpatrioten erklären, sie zögen heimische Kräuterschnäpse vor: »Wenn schon schlechter Geschmack, dann wenigstens aus der Region.«
Auch in Magdeburg ist der Ärger groß, nicht zuletzt, weil man sich zu Unrecht abgestempelt sieht. Nachdem Zusammenbruch der Industrie 1990 liefen Einwohner lange mit »gesenktem Blick« herum, sagen Wirtschaftsförderer; jetzt aber boomt die Stadt, verzeichnet regen Zuzug und wird von Journalisten, die sich – anders als Likörverkäufer – ein eigenes Bild machen, unter Überschriften wie »Stadt, Hype, Fluss« beschrieben.
Von Firmen, die mit Vorurteilen Kasse machen, hält man da wenig. Lokale wie der »Ratskeller« haben den Likör aus der Karte gestrichen, versehen mit dem Zusatz: »Life is bitter«. Eine regionale Kräutermarke kontert mit Witz: »Stell dir vor, du wirst nach Machdeburch versetzt«, heißt es: »Sei froh, hier trinkt man Schierker.« Die Gegenkampagne läuft indes nur im Internet; die Plakate für »Fernet« hängen derweil in Berlin und Köln, München, Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg. 2017, sagt Vertriebsmann Schönberg, wolle man auch in mittelgroßen Städten werben – eventuell sogar in denen, die man jetzt verhohnepiepelt. Vielleicht wird es dann für Halle ganz bitter.
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