Grundeinkommens-Idee: Varoufakis stößt auf Skepsis
Ökonom Schulmeister: BGE ist »Anpassung an das herrschende Schlechte« / Linken-Politiker Troost: Besser hohe Vermögen besteuern
Berlin. Yanis Varoufakis stößt mit seinem Vorschlag eines neuen Finanzierungsmodells für ein Grundeinkommen auf Skepsis. Der frühere griechische Finanzminister plädiert dafür, bei jedem Börsengang einen Teil der Aktien in ein Depot abzuzweigen. Mit den Dividenden könnte man eine Art Grundeinkommen für die Bürger finanzieren. Von dieser Idee hält der österreichische Ökonom Stephan Schulmeister jedoch wenig.
Das Volumen von Börsengängen sei viel zu klein, um einen nennenswerten Beitrag zur Finanzierung eines bedingungslosen Grundheimkommens zu leisten, sagte Schulmeister dem »nd«. Dies liege unter anderem an der derzeit geringen Investitionsbereitschaft. Schulmeister sagte, er würde stattdessen »Finanzkapital und seine alchemistischen Vermehrungsversuche besteuern, aber nicht Realkapital«. Die meisten Börsengänge »finanzieren nicht die Finanzalchemie, sondern Projekte in der Realwirtschaft«, so der Ökonom.
Schulmeister sieht ein bedingungsloses Grundeinkommen generell skeptisch, es sei allenfalls »eine Notlösung und gleichzeitig eine Anpassung an das herrschende Schlechte. Dieses System befindet sich weiter auf Selbstzerstörungskurs«. Grundsätzlich sei es durchaus möglich, ein System aufzubauen, in dem die meisten Menschen an den wichtigsten Tätigkeiten teilhaben, dazu gehöre die Erwerbsarbeit. Nötig seien dabei neue Arbeitszeitmodelle, die die Lebensarbeitsstunden reduzieren und so Vollbeschäftigung ermöglichen.
Varoufakis hatte sich dagegen ausgesprochen, ein Grundeinkommens aus Steuermitteln zu finanzieren. Stattdessen sollte es »aus Kapitalerträgen finanziert werden«. Ein Weg bestünde darin, »Gesetze zu beschließen, die es erfordern einen gewissen Prozentsatz des Kapitals (Aktien) aus jedem Börsengang in ein Aktiendepot der Allgemeinheit zu leiten, wobei die damit verbundenen Dividenden eine allgemeine Grunddividende finanzieren« - in anderen Worten: ein Grundeinkommen. Dieses »soll und kann vollkommen unabhängig von Sozialleistungen, Arbeitslosenversicherung und so weiter sein«.
Der Grünen-Politiker Wolfgang Strengmann-Kuhn sagte dagegen, »ein allgemeines, existenzsicherndes Grundeinkommen sollte aus allgemeinen Steuermitteln und so finanziert werden, dass alle für alle zahlen. Das ist der Kern der Grundeinkommensidee«. Den Vorschlag von Varoufakis bezeichnete er als »akademisch interessant«, er sei »aber bestenfalls eine Ergänzung dazu«.
Der Finanzexperte der Linksfraktion, Axel Troost, sagte, Varoufakis Idee werfe viele bisher ungeklärte Fragen auf. So sei unklar, ob es bei einem solchen Grundeinkommen einen einheitlichen Betrag in allen EU- bzw. Euro-Ländern geben solle. »Warum soll bei der Finanzierung nur auf Aktien bzw. Aktiengesellschaften abgestellt werden?«, fragte Troost gegenüber »nd«. »Riesige Vermögen befinden sich auch bei Personengesellschaften, KMU und Privatpersonen.« Hinzu komme, dass Spekulation »nicht mehr primär in Aktien, sondern in Derivaten« stattfinde. Eine Alternative zur Finanzierung von sozialer Absicherung sollte daher »auf hohe Vermögen abstellen - und wenn eine europäische Vermögensabgabe nicht durchsetzbar ist, weil sie nur in Deutschland in der Verfassung vorgesehen ist -, dann sollte auf einen einheitlichen europäischen Zuschlag zur nationalen Vermögensteuer abgestellt werden«.
Der Wirtschaftswissenschaftler Troost ist generell skeptisch, was ein Grundeinkommen angeht. In einer existenzsichernden Höhe für alle Bürgerinnen und Bürger in EU oder Eurozone würde dies »so viel Geld benötigen, dass für die absolut notwendigen Ausgaben für Investitionen und Personal in die gesellschaftliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge nichts mehr übrig bliebe«, so der Vizevorsitzende der Linksfraktion.
Den grünen Sozialexperten Strengmann-Kuhn, der sich seit langem für ein bedingungsloses Grundeinkommen einsetzt, erinnert Varoufakis‘ Idee »an den Alaska Permanent Fund«. Der Vorschlag habe »eine gewisse interne Logik und eine charmante Seite«. Allerdings müsse man »ehrlicherweise dazu sagen, dass es dabei dann nicht um ein existenzsicherndes Grundeinkommen geht, vielmehr ist die Höhe von den Kapitalmarktrenditen abhängig und die Höhe dürfte deutlich unter dem Existenzminimum liegen.« Der Alaska Permanent Fund ist ein vom Staat eingerichteter Fonds, der die Gewinne aus der lokalen Ölförderung verwaltet. nd
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