Fast 4000 Migranten aus »wildem« Camp in Paris evakuiert

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit vor Tagen der »Dschungel« von Calais liquidiert wurde, war das improvisierte Zelt-Lager im Norden von Paris rund um die Metrostation »Stalingrad« das größte »wilde« Flüchtlingscamp Frankreichs. Die Zahl der Migranten, die hier unter primitiven Bedingungen hausten, wurde auf 3000 bis 5000 geschätzt. Davon waren mehr 1000 auf eigene Faust aus Calais gekommen. Am Freitag wurde auch hier evakuiert. Es war schon die dritte derartige Aktion in weniger als sechs Monaten, denn immer wieder hatten sich in Paris solche Flüchtlingscamps neu gebildet.

Gegen 6 Uhr wurden die ausländischen Flüchtlinge, die zumeist aus Afghanistan, Sudan und Eritrea stammen, durch Freiwillige der Hilfsvereine und die Polizei geweckt. Die meisten der Migranten, die die Evakuierung seit Tagen erwartet hatten, waren erleichtert. »Ich bis seit fünf Wochen hier«, sagte der 24-jährige Afghane Kemal. »Aber das ist kein Leben, obwohl uns viele Menschen hier geholfen haben. Ich wollte einen Asylantrag stellen, konnte aber keinen Termin bekommen. Wir hoffen, dass wir jetzt untergebracht werden und Papiere bekommen, um in Frankreich zu bleiben.«

Die Polizeipräfektur hatte für die Aktion 600 Beamte eingesetzt und die Boulevards, an denen sich das Camp entlangzog, abgeriegelt. Zu den befürchteten Zusammenstößen mit radikalen Gruppierungen wie »No Border« kam es nicht. Alles blieb ruhig und die Flüchtlinge, die mit ihrem leichten Handgepäck hinter Absperrgittern warteten, wurden schubweise mit den 80 von der Präfektur zwangsverpflichteten Bussen abtransportiert. Wohin die Reise ging, wussten sie nicht. Nach Auskunft der Behörden waren für sie in der Pariser Region - zumeist in Sporthallen - vorübergehende Aufnahmelager geschaffen worden. Gegen Mittag war die Evakuierung, die letztlich 3880 Flüchtlinge betroffen hat, abgeschlossen. Die auf den Bürgersteigen zurückgelassenen Zelte, Matratzen, Koffer und diversen Gegenstände wurden umgehend durch Männer der Pariser Straßenreinigung zusammengeschoben und mit Müllfahrzeugen abtransportiert. Die Straßen nahmen wieder ihr normales Aussehen an und die zwei Metrostationen, die während der Evakuierung geschlossen blieben, konnten wieder benutzt werden. Die meisten Anwohner äußerten sich erleichtert.

»Das Camp hat uns sehr belastet und viele Käufer vergrault«, meinte ein Gemüsehändler. Klagen über gesteigerte Unsicherheit des Viertels durch die Migranten sind nicht zu hören, dafür viel Mitgefühl für die mit ungewisser Zukunft aus ihrer Heimat Geflüchteten. »Ganze Familien waren darunter, mit kleinen Kindern«, sagte eine Frau, die an dem am stärksten betroffenen Boulevard des Flandres wohnt, »doch vor allem junge Männer, von denen die meisten freundlich, höflich und dankbar für jede Hilfe waren.« Ausländerfeindlichkeit sei wenig zu spüren gewesen, dagegen hätten zahlreiche Anwohner spontan bei den Hilfsvereinen mitgemacht. Wie die Behörden so hoffen auch sie, dass sich derartige wilde Camps in Paris nicht wieder neu bilden, sondern dass für nachfolgende Flüchtlinge gleich Übergangslösungen gefunden werden.

Präsident François Hollande hatte vor Tagen den Dschungel von Calais und wilde Camps als »unerträglich und für Frankreich beschämend« bezeichnet und erklärt, man werde solche Elendssiedlungen »nicht mehr zulassen«. Doch er hat nicht präzisiert, was konkret geschehen soll, und die Hilfsvereine sind skeptisch.

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