Deutschland verfehlt Klimaziele von Paris

Studie zerlegt Mythos der Vorreiterrolle der Bundesrepublik

  • Guido Speckmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Warum gilt Deutschland eigentlich als Klimaschutzvorreiter? Ein nüchterner Blick auf die Zahlen zumindest spricht gegen dieses Image. »Selbst in Fachkreisen wird der Klimaschutz losgelöst von Fakten diskutiert«, sagte Jörn Schwarz, Autor der Studie »Deutsche Klimapolitik – vom Vorreiter zum Bremser« am Freitag in Berlin. Die im Auftrag der Energy Watch Group, einem internationalen Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern, erstellte Untersuchung zeichnet ein wenig schmeichelhaftes Bild der deutschen Klimapolitik: Die aktuellen Klimaziele Deutschlands seien viel zu schwach, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Und selbst diese schwachen Ziele drohe die Bundesregierung zu verfehlen.

Die ungenügenden Ziele hatte sich die Regierung 2010 mit ihrem »Energiekonzept« gesteckt. Damit sollte der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern und ein Einstieg in erneuerbare Energien eingeleitet werden. Übergeordnetes Ziel: eine Reduzierung der nationalen Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990.

Was ist daraus geworden? Hans-Josef Fell, Ko-Autor und Präsident der Watch Group, sagte dazu: »Die momentanen Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung führen nicht einmal mehr zu nennenswerten Emissionsminderungen.« Die Studie weist nach, dass die von der Regierung vorgegebenen Minderungsziele seit 2010 jedes Jahr überschritten wurden. »In Kombination mit den deutlich ambitionierteren Zielen des Pariser Abkommens sind nun zusätzliche Maßnahmen in erheblichem Umfang nötig«, lautet die Schlussfolgerung.

Fell schlägt zwei Säulen für die deutsche wie die internationale Klimapolitik vor. Zum einen eine Nullemissions-Wirtschaft bis 2030 – und zwar in allen Sektoren. Zum anderen müssten Kohlenstoffsenken schnellstens in der Land- und Forstwirtschaft geschaffen werden. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen ging zudem harsch mit der internationalen Klimapolitik ins Gericht. Am Pariser Klimaabkommen kann er nur zwei positive Aspekte erkennen: Das Problem sei erkannt und man suche tatsächlich nach Lösungen. Insgesamt sei die am Freitag in Kraft getretene Vereinbarung aber ungeeignet, das Ziel von 1,5 Grad Erderwärmung zu erreichen.

Deutschlands Ruf als Vorreiter im Klimaschutz verdankt sich übrigens eines historischen Sonderfaktors, mit dem Anfang der 1990er Jahre der Ausstoß von Klimagasen deutlich reduziert werden konnte: Der Anschluss der DDR an die BRD führte zum Niedergang der dortigen Industrie. Seit 2000 gingen die Emissionen in Deutschland jedoch nur noch sehr langsam zurück. Und jetzt droht dieser Trend mit der EEG-Reform, der Verwässerung des Klimaschutzplans 2050 und der »Kohle- und Stahlschutzpolitik«, wie Fell meint, des Wirtschaftsministers noch intensiviert fortgeschrieben zu werden.

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