Hotspots als Wasserstellen

Wie und wofür nutzen Flüchtlinge ihre Handys und Smartphones? Wissenschaftler sammelten Antworten

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Integration, so hat sich inzwischen herumgesprochen, ist keine einseitige Leistung, die von Flüchtlingen zu erbringen ist. Ob und wie Integration gelingen kann, hängt auch maßgeblich davon ab, dass man die bisherige Lebenswirklichkeit, Hoffnungen und Erwartungen der Partner kennt.

Bisweilen unterscheiden sich Alteingesessene und jene, die hierzulande vor Krieg und Folter Schutz suchen, weniger voneinander, als man meinen mag. Nicht wenige Bürger und Flüchtlinge trauen den Medien alles zu - vertrauen ihnen also nicht.

Das unter anderem fanden Wissenschaftler der Freien Universität Berlin (FU) heraus. Sie wollten im April und Mai dieses Jahres von 404 in Berliner Notunterkünften gestrandeten Flüchtlingen wissen, wie sie sich in ihren Herkunftsländern, auf ihrem Fluchtweg und in Deutschland Informationen verschafften, welchen Quellen sie vertrauen und welche Einstellungen und Erwartungen sich daraus gegenüber dem Fluchtziel Deutschland ergeben. Muttersprachler interviewten 216 Syrer, 96 Iraker sowie Flüchtlinge aus Afghanistan, Iran, Pakistan und Indien. Mehr als die Hälfte der Befragten war jünger als 30 Jahre und männlich.

Als Grund für die große Teilnahmebereitschaft vermuteten die Interviewer zum einen »die Monotonie des Alltags vieler Flüchtlinge, die in der Befragung eine willkommene Abwechslung sahen«. Zugleich war vielen auch daran gelegen, »ihre Geschichte zu erzählen und dafür Gehör zu finden«. Die Interviewer berichteten in manchen Fällen auch von der Hoffnung, mit der Teilnahme wäre eine Verbesserung der persönlichen Situation zu erreichen.

Bei den Gesprächen wurde abermals deutlich, dass Mobiltelefone »zentrale Werkzeuge der Schutzsuchenden« und WLAN-Hotspots »so notwendig wie Wasserstellen« sind. Dennoch, so die Experten vom Institut für Publizistik der FU, lagen bislang nur wenige Erkenntnisse »zu den tatsächlichen Nutzungsmustern sowie deren Auswirkungen auf das Informationsverhalten von Flüchtlingen und ihr Deutschlandbild vor«.

Das deutlich beliebteste traditionelle Medium ist für die Befragten das Fernsehen. Das Radio spielt eine weitaus geringere und Printmedien nur eine sehr untergeordnete Rolle. Über allem jedoch steht für die in Deutschland Angekommenen das Internet. Über 80 Prozent der Syrer und Iraker nutzen es täglich. Unter den zentralasiatischen Geflohenen sind es dagegen weniger als die Hälfte. Auch vor und während der Flucht ist die Internetnutzung der Iraker und Syrer deutlich höher. Wichtig sei dabei vor allem die Kommunikation mit Bekannten und Verwandten. Diese Kontakte sind die wichtigsten Informationsquellen für die Flüchtlinge. Und damit ergeben sich nicht wenige Probleme. Gerüchte und Halbwahrheiten prägten die Wahrnehmung und Erwartungen der befragten Flüchtlinge.

Mehr als 40 Prozent der Flüchtlinge, die das Internet nutzten, haben es zur Planung der Flucht genutzt. Sie suchten mit Hilfe von Google Maps Routen, versorgten sich mit Informationen über Deutschland oder suchten Erfahrungsberichte anderer Flüchtlinge. Doch wie steht es um den Wahrheitsgehalt der Informationen? Die Bilder, die in Deutschland sowohl die sozialen als auch die traditionellen Medien beschäftigten und »für eine aufgeladene öffentliche Debatte sorgten«, haben relativ wenige Flüchtlinge erreicht, behaupten die FU-Forscher. Weniger als die Hälfte hätte vor ihrer Einreise Fotos der »Willkommenskultur« an deutschen Bahnhöfen und weniger als ein Drittel hatte ein Selfie von einem Flüchtling mit Angela Merkel gesehen. »Allerdings war der Glaube der Geflüchteten daran, dass die Bundeskanzlerin alle Flüchtlinge nach Deutschland eingeladen habe, ausgesprochen groß.«

Rund 90 Prozent der Syrer und Iraker hatten vor ihrer Ankunft in Deutschland davon gehört, dass ihnen ein eigenes Haus bereitgestellt werden würde, sie kostenlose Sozialleistungen erhielten und die ganze Familie nachholen könnten. Diesem Trugbild erlagen weitaus weniger Menschen, die aus den zentralasiatischen Regionen kamen. Weniger als die Hälfte der zentralasiatischen Flüchtlinge, so stellten die Forscher fest, hielten diese Informationen für wahr. Unter den Syrern und Irakern waren es dagegen mehr als drei Viertel.

Die Internetnutzung im Heimatland habe zwar zu mehr Faktenwissen über Deutschland geführt, doch »ein damit kombinierter hoher Fernsehkonsum - auch von westlichen Sendern - führt allerdings eher zu einem positiv verzerrten Deutschlandbild, in dem Wunschbilder die Fakten überlagern«, heißt es in der Studie. Und so ist es auch eher unwahrscheinlich, dass die Fliehenden wissen, wie viel Hass ihnen von deutschen Rechtsextremen und sogenannten besorgten Bürgern entgegengebracht wird. Brennende Flüchtlingsunterkünfte und Straßenjagdszenen sind ja oft nicht einmal ein Thema für deutsche Medien. Und wenn, dann sind sie schon sehr rasch wieder aus den Nachrichtenprogrammen der meisten Sender verschwunden.

Die komplette Studie finden Sie unter: dasND.de/mediennutzung

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