Mit himmlischen Beistand

Die wundersame Geschichte der Prignitzer Kuckuck Kickers 2000

  • Wolfgang Schilhaneck
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor sieben Jahren gab es sie noch nicht. Dann versetzten sie die dünn besiedelte Region im Nordwesten Brandenburgs in Erstaunen. Und heute spricht man landesweit von ihnen - von den Prignitzer Kuckuck Kickers 2000. Nicht die grauen Waldvögel, lateinisch Cuculus canorus, verbergen sich dahinter, sondern ein Fußballverein, der Furore macht. Am 14. Februar 2000 wurde der Verein im 60 Einwohner zählenden Gemeindeteil des Dorfes Sadenbeck unweit von Pritzwalk aus der Taufe gehoben. Die erste Fußball-Mannschaft katapultierte sich in der Folgezeit von der 2. Kreisklasse bis in die Landesliga. Dort überwindert der Aufsteiger gegenwärtig sogar als Spitzenreiter der Nord-Staffel. Hinter dem »Wunder der Prignitz« verblasst die Konkurrenz aus Wittenberge, Pritzwalk, Wittstock oder Perleberg. Was hat sich da vollzogen? Auf jeden Fall stand der liebe Gott Pate, als in Kuckuck das Leder zu rollen begann. Denn es war die Pastorin Astrid Eichler von der evangelischen Kirchengemeinde Buchholz, die den Anstoß gab, in Kuckuck einen christlich orientierten Fußballverein zu gründen. Sie wusste sich darin eins mit dem Autohändler und jetzigen 1. Vereinsvorsitzenden Lothar Volkmann, der sich selbst einen »gläubigen Christen« nennt. Der 51-Jährige, früher aktiver Fußballer in Sadenbeck, schildert: »Deshalb wurde bei der Gründung des Vereins auch in die Satzung die Formulierung aufgenommen, dass der Verein unabhängig vom Sport jungen Menschen Raum bieten will für Gemeinschaft und zum Austausch über Lebens-, Sinn- und Glaubensfrage. Ein Anliegen, das durch musische Darbietungen und Vorträge in die Praxis umgesetzt wird.« Kassiererin Marion Volkmann stellt aber heraus: »Gott nahe zu sein, ist kein Muss für unsere Spieler, sonst bekämen wir kaum Mannschaften zusammen.« Immerhin 100 Mitglieder zählen die Kuckuck Kickers bereits, und zum Männer- und A-Jugendteam sollen in der nächsten Saison weitere Mannschaften hinzukommen. Himmlischen Beistand erhielten die Kuckuck Kickers auch, um schnell in die Erfolgsspur zu gelangen. Astrid Eichler, die drei Jahre lang an der Spitze des Vereins stand, nutzte überregionale kirchliche Kontakte zur »Entwicklungshilfe« aus dem Westen. Der in der Nähe von Stuttgart beheimatete Verein »Athleten für Christus« delegierte auf Zeit Spieler aus Sierra Leone, Ghana und Brasilien nach Kuckuck, »wo sie lebten, Sport trieben und in meinem Autohaus angestellt und ausgebildet wurden«, blickt Lothar Volkmann zurück. Geblieben ist der 24-jährige Carlos de Oliveira. Trainer der Mannschaft ist Dietmar Bletsch, einst Abwehrspieler des damaligen FC Karl-Marx-Stadt. Wo sich Hund und Katze »Gute Nacht« sagen, stehen Sponsoren nicht gerade Schlange. Lothar Volkmann und Familie allerdings wussten auch hier Rat. »Um die Wirtschaftlichkeit des Vereins zu sichern, gründeten wir die Verwaltungs- und Vermittlungs-GmbH, die sich um die finanziellen Belange kümmert«, erzählt der 1. Vorsitzende. Diese GmbH bietet für Trainingslager neben dem Haupt- und Nebenplatz auch 20 Betten, moderne sanitäre Einrichtungen und Tagungsräume in einem ehemaligen Wirtschaftsgebäude eines Bauernhofes an - für 35 Euro pro Tag inklusive Vollpension. Das gesamte Areal, ein Gehöft von stattlicher Größe, gehört Gerd Volkmann. »Mein Vater, der hier noch wohnt, stellte uns Pferdekoppeln zum Bau unserer Anlage zur Verfügung, als wir bei der Gemeinde kein Gehör fanden«, sagt Lothar Volkmann. Ein Ende der wundersamen Geschichte im Brandenburger Land ist noch nicht abzusehen. Denn der 1. Vorsitzende lebt noch einen Traum: »Einmal in der Oberliga spielen.« Nach Lage der Dinge scheint der Aufstieg in die Verbandsliga in greifbarer Nähe. Und alles unter dem Slogan »Athleten für Christus«, der an der kleinen Tribüne in großen Lettern prangt, dort, wo man anderenorts Werbung für Biersorten oder Waschmittel findet.

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