Thatcher war harmlos dagegen

Die Journalistin und Filmemacherin Eurydike Bersi über die Privatisierungspolitik in Griechenland

  • Carolin Philipp
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie beurteilen Sie die Privatisierungspolitik in Griechenland im Vergleich mit neoliberalen Maßnahmen in anderen Ländern?
Angesichts der großen Anzahl von Zwangsprivatisierungen zu niedrigsten Preisen im Eiltempo würde ich sagen, Thatcher war harmlos dagegen. EU-Kommissionspräsident Junker hat offen gesagt, dass die deutsche Treuhand das Modell für die Veräußerung und Liquidierung griechischer Vermögenswerte ist.

Glauben Sie, dass es Bereiche gibt, in denen die griechische Regierung unabhängig agieren kann?
Ich glaube nicht, dass bei Privatisierungen viel Handlungsspielraum besteht. Insgesamt werden die öffentlichen Vermögenswerte Griechenlands der demokratischen Kontrolle entzogen und von den Gläubigern und Investoren kontrolliert. Der Fond gehört zwar offiziell dem griechischen Staat und nicht alle Vermögenswerte werden komplett privatisiert, aber ausschlaggebend ist, wer die Kontrolle hat, nicht wem der Fond gehört.
Die Regierung macht genau das Gegenteil von dem, was sie vor der Wahl versprochen hat. Darum muss sie zumindest behaupten, dass die ausgehandelten Konditionen besser sind. Teilweise stimmt das. Die Erlöse der Privatisierungen fließen nicht mehr nur in den Schuldendienst. Die Hälfte wird für Investitionen verwendet. Es ist allerdings noch nicht klar ist, ob mit den Mitteln nur in die zukünftig zu privatisierenden Vermögenswerte investiert wird, so dass sie vor dem Verkauf in einem besseren Zustand sind.

Zur Person

Eurydike Bersi ist Journalistin. Im letzten Jahr war sie Koregisseurin des Dokumentarfilms
"Wer rettet wen?«, der die Hintergründe und Profiteure der Euro-Krise beleuchtete.

 

Der Vorsitzender des Superfonds ist ein alter Parteigenosse der IWF-Chefin Christine Lagarde. Allerdings sind auch drei Mitglieder des Aufsichtsrates von der griechischen Regierung benannt. Welchen Einfluss haben sie?
Auch die von der griechischen Regierung ernannten Mitglieder müssen von den Gläubigern gebilligt werden. Sie können keine unabhängigen Entscheidungen treffen. Denn dafür werden vier der fünf Stimmen im Aufsichtsrat benötigt. Aber auch die griechischen Aussichtsratsmitglieder stimmen den Zielen des Privatisierungsfonds grundsätzlich zu. Der Existenzgrund des Fonds ist, die Kontrolle über die griechischen Vermögenswerte an die Gläubiger zu übertragen. Das umfasst die Elektrizitätswerke, Minen, Gas, Wasser, Häfen, Grundstücke und Gebäude inklusive Schulen, Transportnetzwerke, fossile Brennstoffe sowie das gesamte Bankensystem.

Wirtschaftsminister Tsakalotos behauptet jedoch, große Projekte müssten durch sein Ministerium genehmigt werden.
Bisher mussten alle Privatisierungen vom Parlament genehmigt werden. So wurden wenigstens die Bedingungen transparent, die in vielen Fällen – wie bei den von der deutschen Fraport gekauften lokalen Flughäfen – skandalös waren. Beim neuen Fond muss nur noch das Wirtschaftsministerium zustimmen. Und leider haben wir oft erlebt, dass die Zustimmung der Regierung von den Gläubigern erpresst wird. Wenn sie nicht zustimmt, wird die nächste Tranche von Hilfsgeldern nicht ausgezahlt. Aber auch in der Regierung selbst werden Privatisierungen jetzt positiv gesehen. SYRIZA hat sich sehr gewandelt, seit sie an die Macht gekommen ist.

In der Regierung gibt es aber auch Widerstände, besonders beim Thema Wasser. Die Grünen haben erreicht, dass Privatisierungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden müssen. Können Privatisierungen so verhindert werden?
Die französische Regierung hat sich aktiv für die Interessen der Wasserkonzerne Veolia und Suez eingesetzt. Veolia will das Wasser in Athen, Suez in Thessaloniki. Der Vorsitzende des Superfond-Aufsichtsrates ist Franzose. Die Kräfteverhältnisse sind äußerst ungünstig.

Wie sehen Sie die Privatisierungspolitik im Zusammenhang mit Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und TiSA?
Diese Abkommen sind für die europäische Peripherie noch viel schädlicher als für andere Staaten. Wenn ein Sektor erst mal geöffnet ist, kann er nicht mehr rekommunalisiert werden, außer es werden horrende Summen an Entschädigungen bezahlt. Investoren können Regierungen verklagen, wenn sie keinen Marktzugang bekommen. Das gegenwärtige Modell der Gläubiger, dass ausländische Investitionen als einziger Ausweg für Griechenland propagiert werden, ist aber ebenso gefährlich. Investoren werden jetzt schon außerordentliche Rechte und nur geringe Pflichten eingeräumt. Am Beispiel der Hafenprivatisierung von Piräus sehen wir, wie de-facto-Sonderwirtschaftszonen entstehen, in denen etwa das Recht auf Gewerkschaften, geregelte Arbeitszeiten und Gesundheitsvorschriften untergraben werden. Auf der anderen Seite ist zweifelhaft, ob Investoren die Wasserpreise niedrig halten oder ob Erwerbslose weiterhin freien Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln haben werden.

Wie könnten Widerstände gegen die Privatisierungen unterstützt werden?
Die öffentliche Meinung in den Geberländern muss sich damit beschäftigen, was in Griechenland passiert. Ich weiß, dass es schwer ist, aber in Deutschland muss Druck aufgebaut werden gegen die Investoren von Fraport, in Frankreich wäre es hilfreich, wenn die Wasserkonzerne kritisiert würden. Es wäre großartig, wenn Menschen aus Berlin oder Paris, die ihr Wasser rekommunalisiert haben, unsere Anstrengungen unterstützen würden. Wir müssen uns auf Initiativen und Beispiele aus der ganzen Welt beziehen und uns vernetzen.

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