Armutsforscher tritt gegen Agenda-Architekten an

Linkspartei will demnächst den Politologen Christoph Butterwegge als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten präsentieren

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Linkspartei will den Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge als Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten am 12. Februar aufstellen. Entsprechende Meldungen diverser Medien wurden aus Kreisen der LINKEN bestätigt. Nach Beratungen der Partei- und Fraktionsspitze soll Butterwegge am Montag offiziell präsentiert werden. Auch der Armutsforscher bekundete sein grundsätzliches Interesse. Er hat in der Bundesversammlung zwar keine Chance gegen den SPD-Politiker und amtierenden Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der auch von der Union unterstützt wird, aber Butterwegge erhofft sich nun durch seine Kandidatur größere Aufmerksamkeit für seine Forschungsthemen und politischen Anliegen. Zu diesen zählen unter anderem eine friedlichere Außenpolitik und die Wiederherstellung des Sozialstaates. Dabei geht es ihm nicht nur um Gerechtigkeitsfragen, sondern auch um Präventionsmaßnahmen gegen antidemokratische Bewegungen.

Der im Münsterland geborene Butterwegge hatte sich viele Jahre in der SPD engagiert. Diese schloss den linken Juso 1975 aus der Partei aus. Anlass hierfür war ein kritischer Artikel über Helmut Schmidt für die »Blätter für deutsche und internationale Politik«, in dem Butterwegge dem damals neu gewählten sozialdemokratischen Bundeskanzler eine Politik gegen die Interessen von Arbeitern und Angestellten vorgeworfen hatte. Als die SPD Anfang der 80er Jahre wieder zur Oppositionspartei wurde, beantragte Butterwegge hoffnungsvoll die Wiederaufnahme in die Partei. Erst nach mehr als drei Jahren willigte die SPD ein. Doch die Enttäuschung des Politologen über seine Partei war später erneut groß, als klar wurde, dass die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder in vielen Bereichen keine linke Politik betreiben wollte.

Im Jahr 2005 trat Butterwegge aus der SPD aus. Bis heute meldet sich der parteilose Politologe immer wieder als Kritiker der Sozialdemokraten zu Wort. Damit ist er ein idealer Gegner von Steinmeier, der als Chef des Bundeskanzleramts an der neoliberalen Agenda 2010 mitgearbeitet hatte. In der Bundesversammlung dürften zahlreiche linke SPD-Vertreter größere Sympathien für Butterwegge als für ihren eigenen Kandidaten hegen. Ob sie ihn entgegen der Parteidisziplin auch wählen werden, ist jedoch fraglich.

Die Entscheidung für die Kandidatur des inzwischen emeritierten Kölner Professors ist allerdings kein Anzeichen dafür, dass die Führungsspitze der LINKEN nun auf Fundamentalopposition setzen will, nachdem die SPD nicht auf ihre Offerten eingegangen ist, einen gemeinsamen rot-rot-grünen Anwärter aufzustellen. Denn Butterwegge vertritt ebenso wie viele Funktionäre der Linkspartei die Auffassung, dass ein Mitte-links-Bündnis auf Bundesebene unter bestimmten Bedingungen durchaus möglich wäre. Erst vor wenigen Wochen hatte der 65-Jährige in einer Kolumne für diese Zeitung geschrieben, dass die von SPD, Linkspartei und Grünen favorisierte Bürgerversicherung – »so unterschiedlich die konkreten Vorstellungen hierzu auch (noch) sind – eine programmatische Basis, wenn nicht eine politische Brücke für ein Dreierbündnis nach der nächsten Bundestagswahl bilden könnte«.

Butterwegge war bereits im Jahr 2012 als Bundespräsidentenkandidat der Linkspartei gegen Joachim Gauck im Gespräch. Damals herrschte jedoch in der Partei Uneinigkeit, wen sie als Bewerber für das höchste Amt im Staat aufstellen sollte. Letztlich verzichteten Butterwegge sowie die Journalistin und Politikerin Luc Jochimsen zugunsten der Nazijägerin Beate Klarsfeld. Die damaligen von internen Machtkämpfen geprägten Vorgänge hat Butterwegge nicht vergessen. Als Bedingung für seine Kandidatur nannte er nun, dass die LINKE keine weitere Person nominiere.

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