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Der Gründungsmythos

Michael Hochgeschwender über die Amerikanische Revolution

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 3 Min.

Hilft ein Blick in die Geschichte, wenn die Gegenwart unerklärlich scheint? Etwa das Phänomen Donald Trump und seine Wähler. Die Vereinigten Staaten von Amerika geben Rätsel auf, verursachen Kopfschütteln und nähren Angst. Michael Hochgeschwender ist Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Liefert er mit seinem Buch einen Schlüssel für das Rätsel? Ja, er löst sogar gleich zwei Rätsel.


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* Michael Hochgeschwender: Die Amerikanische Revolution. Geburt einer Nation 1763 – 1815. Verlag C.H.Beck. 512 S., geb., 29,95€.


Einerseits beschreibt er die Gründungsgeschichte, die Loslösung der nordamerikanischen Kolonien vom britischen Mutterland und die zu den Gründungsmythen gewordenen Ideen der Gründungsväter. Zum anderen erklärt er das europäische Erstaunen über das, was aus der »Amerikanischen Revolution« geworden ist. Wir wissen zu wenig über die Anfänge der USA, die bis heute das Selbstverständnis der Amerikaner prägen.

Das Ergebnis der Amerikanischen Revolution war »ein höchst ambivalentes, unfertiges Staatswesen«, schreibt Hochgeschwender. Im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte wurden die »Werte Freiheit, Chancengleichheit, soziale Mobilität nach oben (wie unten) sowie Volkssouveränität pragmatisch ausgestaltet und bilden neben den marxistischen und den französischen Diskursen die Voraussetzungen für die ideell-kulturelle Hochmoderne«. Dabei blieben aber viele Ideen bis heute vage. »Die betrafen insbesondere das Nebeneinander von radikalem Individualismus und Problemen sozialer Gerechtigkeit - oder genauer: einer faktischen Klassenherrschaft der Besitzenden.« Der Autor spart nicht mit deutlicher Kritik an der »unfertigen« Amerikanischen Revolution: »Die Egalitäts- und Partizipationsansprüche der unteren Klassen, der Sklaven, der Indianer und der Frauen blieben uneindeutig definiert und wurden bis in die Gegenwart zu einem der maßgeblichen Problemfelder der amerikanischen Gesellschaft. Armut, Ausgrenzung und Rassismus gehören weiterhin zum Alltag einer der reichsten Nationen weltweit.«

Schon einige Jahrzehnte nach dem Unabhängigkeitskrieg entspann sich 1814 ein neuer Krieg mit England. Die USA griffen die britische Kolonie Kanada an - und wurden zurückgeschlagen. Kanadische und britische Truppen stießen bis Washington DC vor, brannten das Weiße Haus und das Kapitol nieder. Als die Briten den US-Handelsschiffen im Vorfeld dieser Auseinandersetzungen den Schutz vor Seeräubern im Mittelmeer verweigerten und sie gar kaperten, erkauften sich die Amerikaner von Marokko gegen eine erhebliche Zahlung freie Seefahrt. Marokko war der erste Staat, der die USA völkerrechtlich anerkannte. Wenig später erklärte Tripolis (Hauptstadt des heutigen Libyens) den USA den Krieg, wurde aber von einer kleinen amerikanischen Streitmacht, unterstützt durch griechische Söldner, besiegt. Das sind Fakten, die hierzulande wohl kaum bekannt, jedoch auch von aktuellem Interesse sind. Hochgeschwender schließt sein leidenschaftliches Buch mit dem Winston Churchill zugeschriebenen Satz, die Amerikaner würden immer alles falsch machen, ehe sie am Ende die richtige Lösung fänden. Und er ergänzt: »Es bleibt einzig ein Problem: Wann ist das Ende erreicht?«

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