»Am Ende müssen wir auch Geld verdienen«
Der von Fans gegründete FK Krumkatschi ist Zehnter in der ersten Liga in Belarus, für das Überleben muss der Verein in die Europa League
Vor der Sommerpause sah es so aus, als würde der FK Krumkatschi sogar um einen Platz in der Europa League mitspielen können. Die zweite Saisonhälfte verlief allerdings weniger gut, der Abstiegskampf war aber immerhin nie ein Thema. Wie fällt Ihr persönliches Fazit der Saison aus?
Mit der Rückrunde sind wir alle unzufrieden. In unserer Liga gibt es mittlerweile viele, die sich darüber freuen. Nach dem Motto: »Ach, Krumkatschi, dieser Möchtegernverein, die sind nun doch gescheitert.« Aber wir haben uns eine Aufgabe gestellt, die in Belarus niemand vor uns wagte. Wir sind der erste private Verein des Landes, FK Krumkatschi ist vom Staat unabhängig. Wir leben immer noch in einem Märchen. Es wäre jedoch irgendwie zu leicht, wenn es auch in der ersten Liga zum Selbstläufer geworden wäre. Das Leben ist dann doch schwieriger. Egal, ob es am Ende der zehnte oder elfte Platz wird: Unser Traum geht weiter.
Was war denn der Grund für die Schwäche in der Rückrunde?
Vieles ist für unsere Spieler zu selbstverständlich geworden, auch die Unterstützung der Fans. Manchmal hatte ich das Gefühl, wir würden uns langsam in eine typisch belarussische Mannschaft verwandeln. Außerdem ist es für uns extrem schwer, mit unserem Budget ganz oben mitzuhalten. Die Spieler bekommen jetzt natürlich mit, welche Gehälter in anderen Vereinen so gezahlt werden. Da herrschen riesige Unterschiede im Vergleich zu uns. So wird es zum Problem, diese Mannschaft über die Winterpause hinaus zusammen zu halten. Das macht natürlich sorgen.
Denis Schunto ist Vereinschef und Gründer des FK Krumkatschi. Als Team »von Fans für Fans« war vor fünf Jahren die Idee für diesen Fußballverein in einem Internetforum entstanden. Der Gründung folgte ein stetiger Aufstieg durch die Ligen
des Landes, aber auch Anfeindungen seitens anderer Vereine. Am Sonntag geht die erste Saison des Sensationsklubs aus Minsk in der »Wyschejschaja Liha«, der höchsten Liga, zu Ende. »Es war mehr drin«, sagt Schunto im nd-Interview mit Denis Trubetskoy über das Abschneiden seines Teams, das sich den Klassenerhalt aber früh gesichert hat.
Vor wenigen Wochen hat Krumkatschi bereits seinen Erfolgstrainer Oleg Dulub verloren, der für den Aufstieg in die höchste Liga verantwortlich war. Ab jetzt trainiert er den ukrainischen Verein Karpaty Lviv. Wie kommt Krumkatschi ohne Dulub klar?
Er ist der beste Trainer in Belarus. Dulub trägt die gleiche Verantwortung für den Erfolg von Krumkatschi, wie eben wir Gründer. Ohne ihn wird die Mannschaft völlig anders aussehen. Aber wir haben viel Vertrauen in unseren jetzigen Trainerstab und werden in der Winterpause zu einer guten Lösung für den Posten des Cheftrainers kommen.
Sie haben das Budget angesprochen. Im Jahr 2016 sind das 400.000 US-Dollar, das mit Abstand kleinste Budget in der ersten Liga in Belarus.
Das ist sogar ein bisschen mehr als vorerst geplant gewesen war. Wir konnten zum Glück mehrere Kleinsponsoren finden. Doch eines ist klar: Das reicht nicht aus, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dass bekannte Spieler wie Wjatscheslaw Gleb bei uns unter Vertrag stehen, hat meist nur mit dem Konzept des Vereins zu tun. Sie verdienen es jedoch, mehr Geld zu bekommen. In diesem Jahr hatten wir zwar keine Probleme mit den Gehaltszahlungen, die Spieler haben allerdings auch überhaupt keine Prämien für ihre guten Leistungen bekommen.
Wie kann ein Verein wie Krumkatschi selbst Geld verdienen?
In Belarus ist es extrem schwer, weil es keine Fernsehrechte wie in Westeuropa gibt. Nur ein, zwei Spiele pro Spieltag werden im staatlichen Fernsehen übertragen - und dafür bekommen wir kein Geld. Ansonsten können wir nur von dem Verkauf der Eintrittskarten profitieren. Unser Zuschauerschnitt ist bereits jetzt höher als der durchschnittliche der Liga. Allerdings ist das noch nicht genug. Im Prinzip haben wir nun beim Derby gegen Dinamo Minsk ein Plus gemacht. Wir sind aber davon überzeugt, dass unsere Spiele in der Zukunft sieben- oder gar achttausend Zuschauer besuchen könnten. Daran arbeiten wir - dann hätten wir auch mehr Profit.
Wir wurde Krumkatschi als der einziger privater Verein in der Liga wahrgenommen? Besonders angenehm soll es nicht gewesen sein, wenn man durch die Presse des Landes blättert.
Es war und bleibt kompliziert. Wir sind unkontrollierbar und nur von eigenen Finanzen und den Interessen der Fans abhängig. Das nervt viele, denn alle anderen Sportvereine außer uns werden hier von irgendwelchem staatlichen Unternehmen geführt, finanziert und damit kontrolliert. Bei uns ist dies nicht der Fall, deswegen weiß auch der Verband nicht, was von Krumkatschi zu erwarten ist. Und während viele öffentlich positiv über uns reden, spüren wir schon viel Druck. Uns werden ständig Spielmanipulationen vorgeworfen, es gibt dann irgendwelche Gerüchte, die einfach nichts mit der Wahrheit zu tun haben. Außerdem sind die meisten Vereine uns gegenüber nicht freundlich eingestellt. Wir versuchen trotzdem, darauf gar nicht zu achten.
Wie sehen Ihre Ziele für 2017 aus?
Es ist gar nicht so leicht, sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Wir denken immer noch eher darüber nach, wie wir den nächsten Spieltag überleben - und das ist seit der Gründung des Vereins so. Leider lässt die finanzielle Situation von Krumkatschi nichts anders übrig. Es sind noch zu wenige Verträge abgeschlossen, um wirklich absehen zu können, wie unser Budget für das nächste Jahr aussehen wird. Deswegen ist die Zielsetzung noch problematisch.
Aber das Wort »Europapokal« spielt schon eine Rolle?
Dazu muss ich zwei Dinge sagen. Erstens ist es für uns noch zu früh, ein solches Ziel öffentlich auszusprechen. Die Wahrheit ist aber auch, dass die Teilnahme an der Europa League unsere finanzielle Situation rasant verbessern könnte. Wenn wir uns für diesen Wettbewerb qualifizieren könnten, bekämen wir sofort 210.000 Euro. Und wenn wir dann den ersten Gegner schlagen - wir wären wahrscheinlich sogar die Favoriten - steigt die Summe schon auf 420.000 Euro. Wir könnten mehr Geld verdienen als unser gesamtes diesjährige Budget, wenn wir nur unsere ganz normale Leistung zeigen. Ich will nicht lügen, dass dies kein ein Ziel für uns ist, denn letzten Endes müssen wir doch irgendwie Geld verdienen. Die Frage ist aber, wie unsere Mannschaft im nächsten Jahr überhaupt aussehen wird.
Wenn Sie alle Probleme, die ihnen in den vergangenen fünf Jahren das Leben schwer gemacht haben, schon vorher erahnt hätten, würden Sie den FK Krumkatschi noch einmal gründen?
Das steht außer Frage. Mit dem Verein habe ich meinen eigenen Alltag so viel spannender gemacht, das ist das größte Abenteuer meines Lebens. Außerdem scheint es echt viele Leute zu geben, die sich für Krumkatschi interessieren. Ein solches Leben würde ich keinesfalls abgeben, um einfach als Kleinunternehmer irgendwelches Geld zu verdienen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.