Hertha BSC sucht seine Identität
Sieg gegen Mainz und Platz drei: Sportlich läuft’s bei den Berlinern. Die Fans müssen trotzdem leiden
Pal Dardai steht vor einer unlösbaren Aufgabe. Er müsse dafür sorgen, dass seine Mannschaft Spiele gewinne, »damit die Fans glücklich sind«, sagte der Trainer von Hertha BSC am Sonntagabend. Seine Fußballer hatten gerade gewonnen, 2:1 gegen Mainz 05. Und mit diesen drei Punkten kletterte der Hauptstadtklub zum Abschluss des zwölften Spieltags auf Rang drei der Bundesligatabelle.
So etwas wie ein Glücksgefühl überkam die 37 852 Zuschauer im halbleeren Olympiastadion aber nur kurz: jeweils nach den beiden Toren des Berliner Stürmers Vedad Ibisevic, der nach der Mainzer Führung das Spiel für Hertha BSC entschieden hatte. Der Schlussjubel war dann eher eine Mischung aus Erleichterung - der Gegner hatte in der letzten Minute der Nachspielzeit eine große Chance zum Ausgleich nicht genutzt - und verhaltener Freude: kurz applaudieren und schnell nach Hause.
In der Ostkurve bleiben die Anhänger traditionell etwas länger, auch am Sonntagabend, zumindest die meisten. Aber sie feierten die Mannschaft längst nicht so enthusiastisch, wie es das Tabellenbild eigentlich hergeben würde. Weder Platz drei, noch die insgesamt sehr beachtliche sportliche Entwicklung unter Trainer Pal Dardai verbreitet unter den aktiven Fans Zufriedenheit. Im Gegenteil: Ihre Leidenschaft und Vereinsliebe werden derzeit arg strapaziert.
»Hallo Identitätskrise!« So wurde in der Ostkurve vor allem eines kritisiert: Die Gedankenspiele der Klubführung von Hertha BSC, mit einem möglichen Stadionneubau den Verein zu entwurzeln. »Brandenburg ohne uns«, stand auf einem anderen Plakat im Fanblock. Weil die Stadt Berlin Hertha BSC im Olympiastadion halten will und somit nicht bereit ist, einen Standort für ein neues Stadion anzubieten, denkt der Klub tatsächlich über einen Umzug ins Umland nach. Erste Angebote gibt’s auch schon. »Wir suchen das Gespräch mit Hertha BSC«, sagte Potsdams Stadtsprecher Stefan Schulz und ergänzte: »Wir können uns einige Flächen vorstellen.« Oranienburgs Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke wirbt für seine Stadt: »Die Allianz Arena ist ja auch nicht im Zentrum von München.« Auch Ludwigsfelde hat schon ernsthaftes Interesse bekundet.
Und Hertha BSC? Will und muss laut Präsident Werner Gegenbauer darüber »reden«. Spätestens im Februar. Dann nämlich liegt dem Klub eine eigens in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie vor - über Standort, Größe und Finanzierbarkeit. Selbst wenn das seitens des Vereins alles nur eine Drohkulisse gegenüber der Stadt Berlin sein sollte, um vielleicht doch noch ein geeignetes Grundstück in der Hauptstadt zu bekommen. Fahrlässig und ungeschickt ist es allemal, auf diese Weise mit den Gefühlen der treuesten Anhängerschaft zu spielen.
Imageprobleme hat Hertha BSC immer mal wieder: wie zuletzt durch die zwei Zweitligajahre oder ob der Zuschauerzahlen im Olympiastadion, in dem der Klub noch bis 2025 Mieter ist. Selbst der Absteiger VfB Stuttgart hatte in der vergangenen Saison mit durchschnittlich 52 000 Besuchern 3000 mehr als die Berliner, die als Siebter an der Qualifikation zur Europa League teilnehmen durften.
»Aus Berlin, Für Berlin?« Diesen Vereinsslogan, der einer Imagekampagne aus dem Jahr 2008 entsprang, stellten die Fans zurecht infrage. Und eine Drohung präsentierten sie vor der Mitgliederversammlung auch noch: »Bevor ihr Hertha ins Umland verschleppt, schicken wir Euch in die Wüste.« Präsidiumswahlen standen am Montagabend allerdings nicht auf der Tagesordnung.
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