Studie: Globalisierungsangst treibt die Menschen zur AfD

Europäer nehmen Sorge um Folgen internationaler Verflechtung mit in Wahlkabine

  • Lesedauer: 3 Min.

Gütersloh. Die große Mehrheit der Menschen mit Sympathien für rechtsnationale und populistische Parteien empfindet die Globalisierung laut einer aktuellen Umfrage als Bedrohung. Sorge um die Folgen der internationalen Verflechtung scheint den Erfolg rechtsnationaler Parteien in Europa zu begünstigen, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten EU-weiten Erhebung der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht. Demnach sind Globalisierungsängste ein »prägendes und gemeinsames Merkmal« der Anhänger populistischer Gruppierungen.

Der Untersuchung zufolge begreift eine Mehrheit von 55 Prozent der EU-Bürger die internationale Verflechtung als Chance - 45 Prozent empfinden sie jedoch als Gefahr. Dabei gilt: Je niedriger das Bildungsniveau und je höher das Alter der Befragten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer ablehnenden Haltung zur Globalisierung.

Die Ängste vor einer stärker zusammenwachsenden Welt und ökomischem Abstieg beeinflussen der Erhebung zufolge auch die Einstellung zu Politik und Gesellschaft. So sehen jeweils deutlich mehr als zwei Drittel der Unterstützer der AfD in Deutschland, der Front National in Frankreich und der FPÖ in Österreich die Globalisierung als Bedrohung.

Bezogen auf alle rechtsnationalen Parteien - von der italienischen Forza Italia bis zur britischen UKIP - äußerten in der Befragung stets mindestens die Hälfte der Parteianhänger Globalisierungsängste. »Wir dürfen das Werben um besorgte Bürger nicht den Populisten überlassen«, mahnte der Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann-Stiftung, Aart De Geus. »Die etablierten Parteien müssen die Angst vor der Globalisierung in ihre Arbeit einbeziehen.«

Bei linken Parteien spielen der Untersuchung zufolge Globalisierungsängste zwar auch eine Rolle - sie sind aber nicht so bestimmend wie im rechtsnationalen Spektrum und überschreiten seltener die 50-Prozent-Marke. EU-weit am ausgeprägtesten sind Globalisierungsängste in der linken Parteiengruppe bei der französischen Front de gauche mit 58 Prozent und der deutschen Linkspartei mit 54 Prozent.

Bei CDU/CSU, SPD und den Grünen spielen Globalisierungsängste keine herausragende Rolle: Jeweils gut ein Drittel der Anhänger dieser dieser Parteien hat laut Umfrage Angst vor der Globalisierung.

Während in Österreich mit 55 Prozent und in Frankreich mit 54 Prozent die Angst vor der Globalisierung am höchsten ist, sehen 64 Prozent der Menschen in Großbritannien und jeweils 61 Prozent der Italiener und Spanier die Globalisierung als Chance. Deutschland liegt hier im EU-Trend - 55 Prozent der Bundesbürger begreifen die internationale Verflechtung als Chance, 45 Prozent haben Angst vor ihr.

Wie die Umfrage weiter ergab, sind in allen EU-Ländern Einkommen, Bildungsgrad und Alter der Menschen ausschlaggebend für ihre Haltung zur Globalisierung: 63 Prozent der Befragten, die sich selbst der Mittelschicht zuordnen, sehen die Globalisierung als Chance, in der Arbeiterschicht trifft dies nur auf 53 Prozent zu.

Auch sehen Höherqualifizierte die Globalisierung häufiger positiv (62 Prozent) als Geringqualifizierte (53 Prozent). Am aufgeschlossensten gegenüber der Globalisierung sind junge Europäer zwischen 18 und 25 Jahren - in dieser Altersgruppe betrachten 61 Prozent die Globalisierung als Chance.

Für die Umfrage wurden im August EU-weit 14.936 Menschen befragt. Die Erhebung ist repräsentaiv für die Europäische Union und deren neun größte Mitgliedstaaten. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.