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Mögen die Kuverts kleben

Im zweiten Anlauf wählt Österreich am heutigen Sonntag einen neuen Präsidenten

  • Hannes Hofbauer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Nervosität im Land ist greifbar. Am Sonntag soll sich per Volkswahl entscheiden, ob Österreich demnächst einen grünen Wirtschaftsliberalen oder einen rechten Radikalen zum Staatsoberhaupt bekommt. Das Match heißt Alexander van der Bellen gegen Norbert Hofer.

Es ist die verschobene Wahl des aufgrund eines Verfassungsgerichtsspruches aufgehobenen zweiten Wahlganges. Begonnen hatte der fast schon unendliche Reigen um die Urnen bereits im April dieses Jahres. Damals kamen zur allgemeinen Überraschung mit 35 Prozent der FPÖ-Mann Hofer und mit 21 Prozent der langjährige Bundessprecher und Klubobmann der Grünen in die Stichwahl. Auf der Strecke blieben die Kandidaten der Regierungskoalition von SPÖ und ÖVP. In der ersten direkten Auseinandersetzung am 22. Mai hatte dann van der Bellen mit 50,3 Prozent knapp die Nase vor Hofer, der auf ein Ergebnis von 49,6 Prozent kam.

Der Verfassungsgerichtshof kippte allerdings nach einer Beschwerde der FPÖ das Resultat, nachdem Gesetzwidrigkeiten bei der Stimmauszählung in einem Ausmaß festgestellt wurden, das für das Resultat hätte entscheidend sein können. Damit war es mit der Peinlichkeit der nicht enden wollenden Präsidentschaftswahl allerdings noch nicht vorbei. Denn drei Wochen vor der angesetzten Wahlwiederholung, die für den 2. Oktober ausgeschrieben war, stellte sich heraus, dass der Klebstoff für die Briefkuverts der Wahlkarten schadhaft war, anders gesagt: Die Umschläge klebten nicht. Also ordnete das Innenministerium eine Verschiebung auf den 4. Dezember an. Ob damit die Odyssee zu Ende ist, wird sich möglicherweise erst nach dem Urnengang zeigen.

Politisch haben sich die beiden Lager seit Monaten eingegraben. Der Grüne van der Bellen gibt den weltoffenen Liberalen und hat um sich die Partei- und Meinungsführer der Republik (inklusive Künstler) versammelt. Der FPÖ-Mann Hofer wiederum spricht die Stimmungen des kleinen Mannes an und lässt fallweise den Wutbürger heraushängen.

Allerdings hat in diesen fast zwölf Monaten Wahlkampf eine auffällige Verschiebung im internationalen Umfeld stattgefunden: Van der Bellen ist nämlich zu Jahresbeginn mit der Losung in den Wahlkampf gezogen, er allein garantiere, dass Österreich nicht international in die Isolation gerate. Heute sieht das freilich anders aus, denn Hofer hätte mehr Anknüpfungspunkte zu Donald Trump, Wladimir Putin, Viktor Orban, Milos Zeman, Tomislav Nikolic und Robert Fico. Van der Bellens elitenaffiner Wirtschaftsliberalismus und seine harte Haltung gegen Moskau finden reihum in Europa und den USA immer weniger Zuspruch.

Innerhalb der beiden Regierungsparteien toben derweilen die Flügelkämpfe. Man braucht kein großer Prophet zu sein, um baldige Neuwahlen des Parlaments mit einer völlig geänderten Ausgangslage, möglicherweise sogar einer geänderten Parteienlandschaft, vorherzusagen. In Wien droht der seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges regierenden SPÖ eine Spaltung, die auch Bürgermeister Michael Häupl kaum mehr aufhalten kann. Die Gretchenfrage lautet: Wie halten wir es mit der FPÖ, wenn sie dereinst zur stimmenstärksten Partei wird, was alle Meinungsforscher vorhersagen?

Die ÖVP ist von derselben Frage gelähmt. Nachdem sich Parteiobmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner als Van-der-Bellen-Wähler geoutet hat, bot ihm sein eigener Klubobmann Reinhard Lopatka Anfang der Woche die Stirn und meinte, Hofer sei der bessere Kandidat. Der Riss geht quer durch alle Landesparteien. FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache kann dem Spektakel - erste Reihe fußfrei - genüsslich zusehen. Die Bundespräsidentenwahl könnte der Auftakt zur politischen Neuordnung in Österreich sein.

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