Unfertig und ungewollt
Der Deutsche Olympische Sportbund wird die umstrittene Spitzensportreform wohl durchwinken, weil alle nach irgendetwas Neuem rufen
Alfons Hörmann kann froh sein, dass die Mitglieder des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) auf ihrer Versammlung am Samstag in Magdeburg über eines ganz bestimmt nicht abstimmen werden: über ihren Präsidenten. Eine Wiederwahl Hörmanns stünde erst 2018 an, so er den Job überhaupt weiter ausüben will. Denn was er bisher auch anpackte, große Erfolge hat er nicht vorzuweisen. Nicht nur wurden deutsche Olympiabewerbungen in Bayern und Hamburg von den dortigen Bürgern abgelehnt, eine neue steht nicht mal mehr zur Debatte.
Nach dem Debakel in der Hansestadt konzentrierte sich Hörmann auf die Reform der Leistungssportförderung, die am Samstag von den Spitzensportverbänden und Landessportbünden abgesegnet werden soll. Doch auch hier wehte Hörmann in den vergangenen Monaten viel Gegenwind ins Gesicht, der nur noch stärker wurde, je näher der Wahltermin rückte.
Worüber die DOSB-Mitglieder genau abstimmen sollen, war auch zwei Tage vor der Versammlung noch nicht klar. Hörmann hofft darauf, dass »dem vorliegenden Papier grundsätzlich zugestimmt wird, mit Vorbehalten im Hinblick auf offene Punkte«. Das Papier zur »Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung« - gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium verfasst - ist mittlerweile auf 49 Seiten angewachsen, doch noch immer nicht fertig.
Verbände, Disziplinen und Athleten mit dem größten Erfolgspotenzial sollen das meiste Geld erhalten. Wer wenig oder kein Potenzial auf Medaillen oder zumindest Finalplätze vorweist, bekommt nur noch wenig oder möglicherweise sogar gar keine Förderung mehr. Bei den Olympiastützpunkten, der wissenschaftlichen Zusammenarbeit und vor allem der Finanzierung muss noch nachgearbeitet werden. Das sei aber von Anfang an klar gewesen, sagt Hörmann: »Zuerst das Konzept, dann die Bedarfsermittlung und dann die Verteilung.« Noch an diesem Freitag wollte er sich mit einzelnen Funktionären treffen, um über eine Beschlussfassung zu debattieren.
2017 und 2018 sind als Übergangsjahre eingeplant. 2019 soll die Reform voll greifen, so dass sie bei Olympia 2024 Früchte trägt. Eine Medaillenprognose will Hörmann dennoch nicht geben, obwohl deren Steigerung das erklärte Ziel ist. »Ein Erfolg wäre schon, den Rückgang der Medaillen und Finalplätze zu stoppen. Diese beiden Posten sind die Parameter, um den Erfolg der Reform zu messen«, sagt Hörmann nun.
Auf der anderen Seite gesteht er selbst ein, dass der Sport durch viele Einflussfaktoren nicht planbar sei. Er nennt die demografische Entwicklung und fehlende Bewegung von Kindern. Dass zudem immer mehr Gegner immer besser werden, lässt er wohl bewusst aus, denn dieser wohl größte Unsicherheitsfaktor ließe das ganze Konzept mit seinen drei Clustern, 20 Attributen und 59 Unterattributen in sich zusammenfallen. Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes kritisierte, dass man sich im Vergleich mit Ländern befinde, »die kein funktionierendes Antidopingsystem haben«. Geldentzug für weniger Medaillen würde so nur die sauberen eigenen Sportler benachteiligen.
Am Erfolgsfaktor Medaille wurde trotz Kritik von Oppositionspolitikern aber auch in der nun vorliegenden Neufassung nicht gerüttelt. »Die zuletzt erfolglosen Verbände haben im neuen System eher eine Chance auf eine akzeptable Förderung, als das anhand der Medaillen der Vergangenheit der Fall wäre«, verteidigt sich Hörmann. Das mag stimmen, doch eine Abkehr von der Medaillenhatz war wohl nie angedacht worden.
Michael Hölz, Präsident des Snowboardverbands äußerte die lauteste Kritik: »Wir fühlen uns nicht genug mitgenommen«, kritisierte er den zu großen Einfluss der Politik, dem auch Martin Engelhardt, Präsident der Triathleten, beipflichtete. »Wir wollen keinen Staatssport. Das passt nicht zu unserer demokratischen Gesellschaft. Die Politik würde sich auch nicht anmaßen, in die Kultur einzugreifen.« Der Generalsekretär der Schwimmer, Jürgen Fornoff, bemängelte, dass die Sportverbände keinen Einfluss auf das Endprodukt gehabt hätten: »In allen Arbeitsgruppen waren qualifizierte Leute der Verbände vertreten, das Gesamtkonzept ist vom DOSB allein zusammengesetzt worden.«
Die Mitglieder werden dem Paket wohl trotz aller Bauchschmerzen zustimmen, denn dass sich etwas ändern soll, wollen dann doch alle. »Und dass es vor Mitgliederversammlungen Irrungen und Wirrungen gibt, ist nichts Neues«, behauptet Hörmann. »Ich bin überzeugt, dass zumindest die meisten Mitglieder den Weg konstruktiv und offen mitgehen werden.« Der DOSB-Präsident suggeriert damit, dass Kritiker nicht konstruktiv und egoistisch seien: »Alle sagen: ›Ihr müsst klarer führen und deutlich verändern‹, und dann wollen die Betroffen doch massiv am Bestehenden festhalten. Aber wir wussten, dass es ein steiniger Weg ist, weil immer wieder Einzelinteressen höher gewichtet werden als das große Ganze.«
Dabei machte Hörmann selbst den Eindruck, lieber selbst gut dastehen zu wollen. Auf der Bundespressekonferenz zitierte er am vergangenen Donnerstag in Berlin aus einem »Manifest«, das zeigen sollte, dass die Sportler hinter seinem Konzept stünden. Die Befragung war aber nie Teil der Leistungssportreform, sondern nur eine Marketingkampagne, in der Sportler gefragt wurden, ob sie Erfolg an Medaillen und Finalplatzierungen festmachen würden. Da Hörmann dies auch in der in der Leistungssportreform wiederfindet, interpretiert er die Zustimmung der Athleten für diese Aussage als eine für seine Reform.
»Wie es dazu kommen konnte, dass er die Sache in einen Kontext mit der Spitzensportreform stellt, ist mir völlig unverständlich«, echauffierte sich Fechter Max Hartung, immerhin Mitglied der Athletenkommission im DOSB. »Ich glaube, er hat seinem Ansehen schweren Schaden zugefügt. Ich mag keine Prognosen abgeben, wie sich das auf die Zukunft auswirkt«, sagte Clemens Prokop. Aber wie gesagt, um eine Wiederwahl Hörmanns geht es am Samstag nicht.
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