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Wir essen keine Batterien!
Auch in Argentinien wird der Rohstoffreichtum für die Einwohner schnell zum Fluch
Lithium ist ein Leichtmetall, dessen Verwendung in Batterien Energie spart. Mit ihm lässt sich Strom speichern. Das steigert den Nutzen von Strom, der aus Wind- oder Sonnenenergie gewonnen wird. Umweltfreundliche Technologien sind im Aufwind und damit steigt auch die Nachfrage nach Lithium. 70 Prozent der weltweit in Salzseen abbaubaren Lithiumvorkommen befinden sich in Bolivien, Chile und im Nordwesten Argentiniens. Die Region Jujuy gehört dazu. Leider. Der Lithiumabbau bringt zwar viel Geld ins Land. Aber Rohstoffreichtum wird schnell zum Fluch. Wo wertvolle Rohstoffe zu holen sind, leiden regelmäßig Mensch und Natur. Im Extremfall drohen Krieg und Gewalt. Die Sorgen bei den Menschen in Jujuy sind deshalb groß.
2010 begannen die Bergbauunternehmen damit, die Region zu untersuchen, um den Umfang der Lithiumvorkommen in den Salinen festzustellen. Als wir Bohrungen in einem großen Teil des Salzsees entdeckten, begannen wir, zusammen mit der Gemeindevorsitzenden der Nachbargemeinde Tres Pozos, uns darüber Gedanken zu machen, was das für uns bedeuten würde. Wir erfuhren durch Gerüchte und durch die Presse, dass unter der Oberfläche der Salzseen von Salta und Jujuy Lithium gefunden wurde. Kurz darauf erklärte die Regierung von Jujuy Lithium zur strategischen Ressource.
Lithiumabbau bedeutet intensive Nutzung und Entnahme von Wasser, das eigentlich für Landwirtschaft gebraucht wird. Landwirtschaft heißt in Jujuy Überleben. Ein Bauer in der Region sagt deshalb: »Für die indigenen Gemeinden sind die Salzseen heilig. Ohne sie können wir nicht leben, nicht sein. Sie sollen keine weitere Ressource sein, die sich vermarkten lässt. Für uns haben sie keine wirtschaftliche Bedeutung, sondern sind lebenswichtige Elemente.«
Diese Sichtweise beeinflusst die ausgelöste Debatte um den Lithiumabbau. Die indigene Weltsicht ist Fundament des Rechtsverständnisses in den Gemeinden. In diesem Modell besitzt nicht das Individuum innerhalb einer Gemeinde, sondern die indigene Gemeinde oder das Dorf das Land. Diesem Besitzverhältnis liegt die enge Verbindung zugrunde, die die indigene Bevölkerung zu ihrem Boden hat. Daraus ergibt sich, dass die Bevölkerung ein Recht darauf hat, über die Aktivitäten zu bestimmen, die auf ihrem Land durchgeführt werden sollen. Der Staat und sämtliche interessierte Unternehmen müssen die Bevölkerung um Erlaubnis fragen und, wenn nötig, ihre Zustimmung erlangen. Eine solche Anfrage entspricht den gesetzlichen Regelungen, wie dem Recht auf bürgerschaftliche Teilhabe und das Recht auf Information.
»Wir haben verstanden, dass zum Abbau vom Lithium Süßwasser benötigt wird. Nun haben wir Angst davor, dass das Wasser aufgebraucht wird und wir in Zukunft ohne Wasser zurückbleiben«, unterstreicht Nicolas Alancay die Befürchtungen, die durch die Bohrungen und die fehlende Vorabinformation hervorgerufen wurden. Außerdem bringen die Bohrungen das lebendige Salzsystem ins Ungleichgewicht. »Wir wollen dieses Land nicht in eine Wüste verwandeln, wir können es uns nicht leisten, es unseren Kindern so zu hinterlassen. Wir werden von hier nicht weggehen, sondern unsere Rechte verteidigen«, sagte sie. Sie haben unter anderem das verbriefte Recht, vor der Bewilligung von Vorhaben der Lithiumproduktion gehört zu werden. Erlebt haben sie das noch nie.
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