Der Vorklatscher, bei dem mal alles passt

Volleyballer Sebastian Kühner war in Berlin eher für die gute Laune zuständig. Beim 3:1 gegen eine Star-Truppe aus Italien nutzte er nun die Gelegenheit, selbst zu glänzen

Als das letzte As geschlagen war, herzten Spieler und Trainer der Berlin Volleys vor allem einen Mann. Zuspieler Sebastian Kühner hatte nicht nur gerade mit dem letzten Aufschlag das erste Spiel der Champions-League-Saison gegen den Favoriten Cucine Lube Civitanova zum 3:1 entschieden, sondern auch er eine der seltenen Bewährungschancen am Dienstagabend eindrucksvoll genutzt.

Gegen die Star-Truppe des Tabellenführers aus Italien hatten viele die bewährten Stammkräfte des deutschen Meisters erwartet, doch Berlins Trainer Roberto Serniotti vertraute seiner zweiten Reihe, die am Wochenende zuvor das Spitzenspiel der Bundesliga gegen die United Volleys Rhein-Main aus Frankfurt gedreht hatte. So spielte Kühner nun gleich von Anfang an für Tsimafei Zhukouski, und Wouter ter Maat für den besten Angreifer des Teams, Paul Carroll. »Die Bankspieler haben einen guten Rhythmus, und da ist der Trainer Risiko gegangen: Er wollte den Schwung mitnehmen, und es hat funktioniert«, sagte Teamkollege Felix Fischer, der nun zuschauen musste. »Die Jungs haben aber einen geilen Volleyball gespielt. Da macht es auch Spaß, nur zuzugucken.«

Auch die Gegner um den deutschen Nationalspieler Denys Kaliberda hatten nicht mit dieser Aufstellung gerechnet: »Wir waren auf die Stammformation vorbereitet. Kühner und ter Maat haben das gleiche System gespielt, aber ihre Umsetzung war überragend«, sagte der 26-Jährige.

Nationalteamkollege Fischer hatte in jener Flexibilität des eigenen Kaders das Erfolgsgeheimnis ausgemacht: »Hier konnte man den Unterschied zum italienischen Volleyball sehen. Die kaufen sich sieben Stars, die es richten müssen. Aber dahinter fällt die Qualität ab. Wenn man die doch mal knackt, können sie nicht mehr wechseln. Wir hingegen können immer auf hohem Niveau spielen, egal in welcher Konstellation.«

Trotzdem musste für einen Sieg alles passen. So hatten die Berliner das Duell vorher überschrieben. So eine Einstellung ist mental anstrengend, da sie zwei Stunden lang ununterbrochene Höchstleistung erfordert. Auch dafür war Kühner jedoch der Richtige. Er ist ein Zappeliger, ein Vorklatscher, ein Antreiber. Das war er schon, als er hinter Kawika Shoji und später hinter Zhukouski als Kurzzeitspieler nur selten Einsätze bekam. »Ich habe mir diese Mentalität angeeignet, bei den wenigen Chancen, die ich bekomme, immer bereit zu sein, gleich Leistung zu bringen«, sagte er. »Ich wollte nicht irgendwohin wechseln, wo ich garantiert spiele, sondern bei einem der besten Klubs in Europa sein. Und da kann ich nicht davon ausgehen, immer Stammspieler zu sein.«

Zur konstant hohen Energie, kommen jetzt konstant gute Leistungen. »Letztes Jahr lief mein Vertrag aus, und mir fehlte mit der Unsicherheit im Kopf die Ruhe. Jetzt spiele ich viel entspannter«, meinte Kühner, auch wenn man ihm die innere Ruhe auf dem Feld nie ansieht.

Ganz im Gegensatz zu seinen italienischen Gegnern. Sie waren auch äußerlich ruhig, vor allem nach dem sicher gewonnenen ersten Satz. Mit jedem in der Folge verlorenen Durchgang wirkte ihre Ruhe aber mehr und mehr phlegmatisch. Sie diskutierten lieber mit den Schiedsrichtern als über die eigene fehlgeschlagene Strategie - und die Berliner freuten sich über viele knappe Entscheidungen zu ihren Gunsten. Auch das gehört dazu, wenn alles passen muss.

Dazu drehte Kühner immer mehr auf: Drei Asse in Folge entschieden Satz drei. Beim Rückstand von 12:16 im letzten funktionierte er sich selbst zwei Mal zum erfolgreichen Angreifer um, und kürte dann seine Leistung mit dem As zum 26:24. Es gibt diese Abende, an denen alles passt - und manchmal sogar etwas mehr.

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