Ewiges Wahlkampfthema Wohnen
Mieterbund fordert von Schwarz-Rot die Umsetzung versprochener Reformen
Der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Franz-Georg Rips, ist am Mittwoch aus Münster noch nicht richtig in Berlin zu der anberaumten Pressekonferenz angekommen - da hat der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW Axel Gedaschko ihm schon eine wenig praxistaugliche und realitätsferne Strategie via Nachrichtenagentur attestiert. Das kleine Scharmützel am Rande, das da zwischen Mieter- und Vermieterlobby ausgetragen wird, zeigt vor allem eine vermutlich richtige Einschätzung des DMB: Wohnungsbau und Mietrecht werden auch 2017 zum Wahlkampfthema.
Das freilich nicht ohne Grund. Denn angesichts der großen Probleme im Land - knapp eine Million Wohnungen fehlen ganz und gar, bezahlbare sind in Ballungsräumen, Groß-, Mittel- und Unistädten Mangelware, die Mieten steigen, nicht aber der Wohnungsneubau im notwendigen Maße - ist unter der Großen Koalition seit 2009 viel zu wenig geschehen. Zunächst listet der DMB-Präsident freilich auf, was Union und SPD zuwege gebracht haben: die erhebliche Aufstockung der Finanzmittel für die soziale Wohnraumförderung, die Erhöhung des Wohngeldes und die Einführung des Bestellerprinzips bei den Maklergebühren.
Die vom Mieterbund vorgelegte Liste der Fehlstellen allerdings ist länger. Da ist die auch von den Mietervertretern lange Jahre favorisierte und herbeigesehnte Mietpreisbremse, die sich ob der zahlreich gesetzlich zugelassenen Ausnahmen, ihrer Intransparenz für Mieter und der Ignoranz der Vermieter als »stumpfes Schwert« erwiesen habe. »Gut gemeint, aber miserabel ausgeführt«, so das kurze Urteil des Juristen Rips.
Der geht auch wenig gnädig mit der Union um: Sie blockiere seit acht Monaten die ausstehende und fest versprochene zweite Mietrechtsreform, die von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) fertig ausformuliert wurde, aber nun in Kanzleramt und CDU/CSU-Fraktion festklemme. Darin sollten die Mieterhöhungsspielräume für die Vermieter eingeschränkt werden, Stichwort: Modernisierungsumlage. Die bislang bei elf Prozent Aufschlag auf die Jahresmiete rangierende Umlage von Modernisierungskosten, sollte laut Koalitionsvertrag in dieser Legislatur auf zehn Prozent gesenkt werden. Maas will gar nur acht Prozent festschreiben, was Rips als »Entgegenkommen« aber »für nicht ausreichend« hält, weil die Zinsen auf Baudarlehen von einst acht Prozent auf inzwischen höchstens ein Prozent gesunken seien. DMB-Forderung sei deshalb eine Modernisierungsumlage von höchstens sechs Prozent.
Dass es in den vergangenen drei Jahren auch nicht ansatzweise gelang, die jährlich nötigen 400 000 Wohnungen zu bauen, Anreize für den Bau bezahlbarer Wohnungen nicht geschaffen wurden und die Vorschläge des mit viel Vorschusslorbeeren bedachten neugegründeten Bündnisses für bezahlbares Bauen und Wohnen im Sande verlaufen, macht den 67-jährigen Mieterbund-Präsidenten nicht eben optimistisch. Aber er will es diesmal nicht nur bei Kritik und Forderung belassen. Deshalb stellt er in Berlin Überlegungen für Veränderungen vor, »die es überhaupt noch nicht in Deutschland gibt«. Da ist ist zum einen der Vorschlag, zu bundesweit geltenden Mietspiegeln über Volldatenerhebung zu gelangen. Damit sollen Vermieter verpflichtet werden, der Kommune gegenüber Angaben zur Miethöhe beim Abschluss eines Mietvertrages zu machen und über jede Mieterhöhung zu informieren. Auf der Basis dieser Daten, so hofft der erfahrene Bürgermeister Rips, erstellen die Kommunen regelmäßig Mietspiegel und damit Transparenz, beschließen sie und ahnden Verstöße dagegen als Ordnungswidrigkeit.
Außerdem schlägt der Mieterbund ein vierjähriges Sonderprogramm »Bezahlbare Wohnungen« in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf vor, das insgesamt vier Milliarden Euro kosten soll. Ziel ist es, damit ein angemessenes Wohnungsangebot insbesondere für die Mietergruppen zu schaffen, die über den Einkommensgrenzen für den sozialen Wohnungsbau liegen, aber trotzdem überdurchschnittlich hohen Wohnkostenbelastungen ausgesetzt sind.
Dass die Wohnungswirtschaft, wie eingangs beschrieben, umgehend abgewinkt hat, dürfte Rips ob seiner Erfahrungen nicht überraschen. Ob die Politik sich das in Vorwahlzeiten jedoch leisten kann, bleibt abzuwarten.
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