Wegsteuern vom Magerstaat

DGB legt steuerpolitische Eckpunkte für den Bundestagswahlkampf vor

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Grünen wollen mit der Forderung nach einer Vermögenssteuer in den Wahlkampf ziehen, die SPD plant einem Papier zufolge, Kapitalerträge stärker zu besteuern, die CDU sprach sich auf ihrem Parteitag gegen Erhöhungen jeder Art aus. Auch eine kürzlich veröffentlichte Forsa-Umfrage legt nahe, dass Steuerpolitik im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen wird. Ein Großteil der Befragten gab dabei an, es würde in Deutschland ungerecht zugehen, viele führten das auf die Besteuerung zurück.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) will mitreden und präsentierte am Mittwoch eigene steuerpolitische Eckpunkte zur Bundestagswahl 2017. Mit dem Konzept sollen untere und mittlere Einkommen entlastet, Besserverdiener und Kapitaleigner stärker zur Kasse gebeten werden. Um der Unterfinanzierung der öffentlichen Hand entgegenzuwirken, soll der Staat zukünftig mehr einnehmen.

Der DGB fordert unter anderem, den Tarifverlauf der Einkommenssteuer zu glätten. Der Grundfreibetrag soll, um Geringverdiener zu entlasten, auf 11 000 Euro angehoben werden. Danach gilt ein Eingangsteuersatz von 22 Prozent. Ein Großteil der Einkommen, die sich momentan in der ersten Progressionszone befinden, würden dadurch steuerfrei gestellt. Bisher sorgen Knicke im Tarifverlauf dafür, dass die Steuerprogression für Geringverdiener mit Einkommen bis zu 13 669 Euro im Jahr besonders stark ansteigt.

Im Gegensatz zu Spitzenverdienern hätten Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen kaum von Änderungen des Einkommenssteuertarifs profitiert, heißt es vom DGB. Die Steuersenkungen unter Rot-Grün und den folgenden Regierungen seien zudem durch Kürzung bei der öffentlichen Daseinsvorsorge, Streichung öffentlicher Investitionen und Erhöhung der Mehrwertsteuer erkauft. So wurden Arbeitnehmerhaushalte doppelt belastet. Nach DGB-Modell soll der Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent angehoben werden, allerdings nicht wie bisher ab rund 53 000 Euro Jahreseinkommen sondern ab 70 000 Euro greifen. Ein Reichensteuersatz soll wie bisher drei Prozent über dem Spitzensteuersatz liegen, allerdings schon ab 125 000 Euro wirken.

Nach einer Modellrechnung des Gewerkschaftsbundes würden diese Maßnahmen einen Alleinstehenden mit einem Jahreseinkommen von 40 000 Euro um rund 500 Euro entlasten. Insgesamt würden nach Angaben des DGB 90 Prozent der Steuerzahler profitieren, lediglich zehn Prozent zur Kasse gebeten.

Außerdem macht der DGB Vorschläge, wie ungerechte Besteuerung durch Absenkung der Bemessungsgrundlage verhindert werden kann. Denn Abzüge vom Bruttogehalt, wie etwa die Pendlerpauschale oder der Kinderfreibetrag sorgen dafür, dass Besserverdiener mehr Steuern sparen als Geringverdiener.

Die Pendlerspauschale soll nach Willen des DGB in ein Mobilitätsgeld umgewandelt werden. Dieses würde nachträglich von der Steuerschuld abgezogen. Auf diese Weise bekäme jeder Pendler unabhängig von seinem Einkommen pro gefahrenem Kilometer eine Entlastung in gleicher Höhe.

Ähnlich der Vorschlag beim Kinderfreibetrag: Dieser soll nach Wunsch des DGB abgeschafft, dass Kindergeld im Gegenzug erhöht werden. »Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein«, sagt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Bisher rechnet das Finanzamt für Eltern aus, ob sich für sie eher das Kindergeld oder der Kinderfreibetrag lohnt. Je höher das Einkommen, desto größer die Steuerersparnis durch den Freibetrag. Der Verfassungsrechtler Joachim Wieland erklärte dazu: »Es widerspricht nicht nur dem Gleichheitssatz, sondern auch dem Sozialstaatsprinzip, wenn die kinderbezogene Förderung reicher Eltern wesentlich höher ist als die ärmerer Eltern.«

Weiterhin fordert der DGB die Abschaffung der Abgeltungssteuer. Kapitalerträge und Zinseinkünfte sollen demnach wieder wie Einkommen aus Arbeit besteuert werden.

Um die Einnahmebasis des Staates zu verbreitern, drängt der DGB unter anderem auf die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer. »Die öffentliche Hand ist unterfinanziert«, so Körzell. Seit Jahren fände ein schleichender Wandel von einem Steuer- hin zu einem Gebührenstaat statt. »Für immer mehr öffentliche Aufgaben werden Gebühren fällig - neuerlicher Gipfel ist die PKW-Maut.«

Die Steuer soll nach Vorschlag des DGB mit einer Belastung von einem Prozent auf Vermögen ab einer Millionen Euro starten und dann leicht progressiv wirken. Die LINKE fordert eine Vermögenssteuer von fünf Prozent. Hinzu solle eine Erbschaftsteuer kommen, die keine bestimmten Vermögensarten bevorzuge, erklärte Körzell, sowie die Finanztransaktionssteuer. Insgesamt könnten diese Maßnahmen für den Staat Mehreinnahmen in Höhe von 50 Milliarden Euro bedeuten. Damit das Geld aber auch tatsächlich dort ankommt, fordert der DGB eine bessere Ausstattung der Finanzämter. Denn »während den abhängig Beschäftigten die Lohnsteuer direkt an der Quelle vom Bruttolohn abgezogen wird, werden Großbetriebe zu oberflächlich und Einkommensmillionäre sowie Klein- und Mittelbetriebe über viele Jahre oft gar nicht geprüft«, so die Einschätzung des DGB. Für sie bestünden erhebliche Steuervermeidungsmöglichkeiten.

Würden die Vorschläge des Gewerkschaftsbundes Realität, wären damit einige Baustellen ungerechter Besteuerung sowie ein gewisses Maß an Umverteilung möglich. Fehlen tut in dem Konzept indes eine Forderung nach individueller Besteuerung, obwohl sich Gewerkschafter in der Vergangenheit mehrfach gegen das Ehegattensplitting aussprachen.

Und unabhängig davon, welche Forderungen der Gewerkschaften bei den zukünftigen Regierungsparteien auf offene Ohren stoßen, scheint zumindest eines absehbar: Das Steuerrecht bleibt ein Dschungel aus komplexen Regelungen, die kaum jemand durchschaut. Von dem berühmten Bierdeckel ist jedweder Reformvorschlag weit entfernt. Fein raus ist wohl auch weiterhin, wer sich einen Steuerberater leisten kann, der all die kleinen Lücken im Steuerdschungel kennt.

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