Wehrt euch!
Hans-Gerd Öfinger ruft zur Vergesellschaftung bei Nestlé auf
Dass unverbindliche Zusagen von Konzernzentralen keinen Cent wert sind und Zugeständnisse nur durch Druck von unten möglich sind, zeigt das Tauziehen um das todgeweihte Nescafé-Werk in Mainz. In dem Betrieb am Rheinufer sollen Ende 2017 endgültig die Lichter ausgehen. Hier produzieren Beschäftigte seit 1960 löslichen Kaffee und Kakao und tragen so zu den hohen Ausschüttungen für die Aktionäre des Weltkonzerns bei. Nestlé ist keine mittelständische Klitsche, sondern der weltweit größte Lebensmittelkonzern mit einem Jahresumsatz von gut 100 Milliarden Schweizer Franken und Renditen in zweistelliger Milliardenhöhe. Einen vermeintlichen Auftragsmangel können die Manager sicher nicht als »Sachzwang« für die Schließung anführen. So muss der marode Zustand der in den 1950er Jahren erstellten Werksgebäude herhalten - also schlicht und einfach unterlassene Investitionen. Dabei hätte ein Bruchteil der hier erarbeiteten Gewinne für eine gründliche Sanierung ausgereicht. Nun dürfte sich der Konzern mit einem Verkauf des Areals noch eine goldene Nase verdienen.
Leidtragende sind die 380 Beschäftigten. Die Hiobsbotschaft führte im Frühjahr zunächst zu einer Schockstarre, die sich jetzt allmählich löst. Viele vertrauten zuerst den Versprechungen des Konzerns, der einen üppigen Sozialplan in Aussicht stellte. Doch weil sich in den Verhandlungen zwischen Gesamtbetriebsrat und Management lange nichts bewegte, kam Unruhe auf. Eine ganztägige Betriebsversammlung und Protestaktionen am Tor sind ein erster Ausdruck der neu erwachenden Kampfbereitschaft. Solidarisch zeigten sich auch Gewerkschafter aus ganz Deutschland, der SPD-Oberbürgermeister und die Mainzer Linksfraktion. Nun scheint sich Nestlé zu bewegen. So wird klar: Nur durch Druck von unten und öffentliche Proteste sind bessere Zugeständnisse zur Abmilderung der Folgen des Arbeitsplatzverlusts möglich.
Betriebsräte und die Gewerkschaft NGG haben Kontakt zu anderen Nestlé-Standorten in Schwerin, England, Frankreich und der Schweiz hergestellt, die als »Nutznießer« der Mainzer Schließung gelten, weil die Produktion in diese Werke verlagert werden soll. Ergebnis: Die dortigen Gewerkschafter zeigten sich solidarisch und erklärten, dass sie ohne Zustimmung von Belegschaft und Gewerkschaften aus Mainz keine zusätzliche Produktion starten würden. »Auf nach Vevey!«, rief die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Susanne Ferschl am Dienstag der versammelten Belegschaft zu. Im schweizerischen Vevey befindet sich die Nestlé-Weltzentrale.
Das Schicksal der Mainzer Nestlé-Belegschaft unterstreicht, wie Kapitaleigentümer, die bislang am längeren Hebel sitzen, soziale Belange ausblenden und dem öffentlichen Interesse schaden. Artikel 61 der rheinland-pfälzischen Landesverfassung sieht eine Vergesellschaftung von Produktionsmitteln und Kontrolle durch Beschäftigte und Kommunen vor. Worauf warten wir noch?
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