Die Angst vor dem Aufsteiger

RB Leipzig dominiert beim 2:0 auch Hertha BSC und fordert nun den FC Bayern

Ralph Hasenhüttl scheint nicht gern über den FC Bayern München reden zu wollen. Selbst als sich im Laufe der vergangenen Wochen immer klarer zeigte, dass seine Mannschaft in dieser Saison der derzeit einzig gefährliche Gegner des Abomeisters sein dürfte, schob der Trainer von RB Leipzig den Gedanken an diesen Zweikampf immer von sich. Seit dem überzeugenden 2:0-Sieg gegen Hertha BSC am Samstagabend - die Tore schossen Timo Werner und Willi Orban - wird das zwar immer schwerer, schließlich kommt es am Mittwoch zum Spitzenspiel in München, doch Hasenhüttl mochte von seiner Taktik immer noch nicht ganz abrücken: »Jetzt können wir nicht mehr sagen, dass wir uns erst um die Bayern kümmern, wenn das Spiel gegen sie ansteht, aber ich will doch erst mal diesen Sieg gegen den Tabellendritten genießen.«

Durchhalten lässt sich das aber nicht mehr, und so ließ sich dem Österreicher noch ein wenig mehr entlocken. »Wir sind stolz darauf, dass wir am Mittwoch ein Spiel gegen Bayern München haben, das ganz Deutschland elektrisiert, und wohl auch über die Landesgrenzen hinaus Menschen begeistern wird. Das haben wir uns hart erarbeitet«, sagte er. Und schob eine versteckte Angriffsankündigung hinterher: »Wir erwarten, dass wir dort mutig auftreten, wie immer, wenn wir auswärts spielen.«

Dass RB Leipzig finanziell kein normaler Aufsteiger sein würde, war schon vor der Saison klar. Dass er sportlich so eine gewichtige Rolle spielen würde, aber nicht. Es war schon bemerkenswert, wie ängstlich und defensiv die Berliner in Sachsen auftraten. Alle Feldspieler versammelten sich die meiste Zeit auf den letzten 15 Metern vor dem eigenen Strafraum, um Leipzig mit wenig Erfolg den Weg zum eigenen Tor zu versperren. Ein eigener Schuss aufs Tor gelang nie. »Leipzig spielt mit unglaublich viel Power. Wir verteidigten schon sehr dicht und hatten trotzdem Probleme, die Räume eng zu halten«, sagte Herthas Angreifer Julian Schieber später. Berlins Taktik erinnerte an die eines Aufsteigers gegen den FC Bayern, dabei spielte Hertha selbst gegen einen Aufsteiger.

Die Liga hat sich damit abgefunden, dass RB auf Dauer oben mitspielen dürfte. »Hier lassen viele die Punkte liegen«, hakte Schieber die Niederlage schnell ab. Und Teamkollege Niklas Stark ergänzte: »Gegen Leipzig zu verlieren ist jetzt kein Schock für uns. Das gehört auch mal dazu.« Sogar Trainer Pal Dardai schien gelassen: »Heute war nichts drin für uns, kein Punkt, kein Etwas, Leipzig war zu schnell für uns.«

In Abwesenheit anderer Traditionsmannschaften in der höchsten Spielklasse konkurrieren RB und Hertha derzeit um die Vorherrschaft im Osten Deutschlands, auch wenn das auf dem Platz nicht sichtbar wird. Mit der Ausleihe von Nils Quaschner hatte sich RB vor der Saison seines letzten Spielers im Kader mit ostdeutschen Wurzeln entledigt. Ob wirklich Talente aus der Region den Sprung von der herausragenden Jugendabteilung in die Erstligamannschaft schaffen können, wird der Klub erst noch beweisen müssen. Bei Hertha sieht es ganz ähnlich aus. Gerade mal drei junge Berliner stehen noch im Kader, zusammen kommen sie nicht mal auf 100 Einsatzminuten.

Speziell im Umland - und sogar bis Berlin hinauf - wird RB derzeit trotzdem immer beliebter. Die im Stadion sichtbaren Fanklubs kommen aus dem anhaltinischen Naumburg, dem thüringischen Altenburg oder dem sächsischen Delitzsch. Bis auf eine Partie waren bislang alle Heimspiele der Premierensaison in der Bundesliga ausverkauft. Die Klubführung droht schon mit einem Neubau, sollte das Zentralstadion nicht bald auf etwa 57 000 Plätze erweitert werden. Dieses Fassungsvermögen läge dann knapp 7000 über dem Zuschauerschnitt der Hertha. Dabei leben in Berlin drei Million Menschen mehr als in der sächsischen Metropole.

Die knapp 5000 mitgereisten Berliner Anhänger wollten sich derweil noch nicht mit dem neuen Konkurrenten ums Bundesligazepter im Osten abfinden. »Hier regiert der BSC«, riefen sie im Auswärtsstadion, was durch die schwache Leistung der eigenen Mannschaft an Lächerlichkeit nur noch potenziert wurde. Noch weit unrühmlicher war jedoch, dass sie Leipzigs Sportdirektor per Riesenbanner einen neuerlichen Burnout wünschten. Hertha distanzierte sich sofort, und Manager Michael Preetz entschuldigte sich nach dem Spiel.

Die Leipziger Spieler interessieren sich freilich überhaupt nicht für regionales Gehabe. Diese Schweden, Dänen, Österreicher, Brasilianer, Hessen, Baden und Westfalen haben den FC Bayern im Sinn, die nationale Spitze, vielleicht sogar schon europäische Wettbewerbe, auch wenn noch niemand darüber öffentlich spricht. Doch der Vorsprung vor Platz drei beträgt schon neun Punkte. »Wir versuchen weiter, immer nur den Matchplan unseres Trainers umzusetzen. Wie weit uns das nach 34 Spieltagen bringt, werden wir dann sehen«, sagte Abwehrspieler Stefan Ilsanker. Der Trainer wird’s gern gehört haben.

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