»Sie wissen genau, wo die Kohle herkommt«
Friedensaktivistin Marianne Moor über die Verantwortung von Energiekonzernen für Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien
Warum engagiert sich Pax aus den Niederlanden für die Opfer in Kolumbiens Steinkohleregion Cesar?
Wir sind eine Friedensorganisation, arbeiten mit Opfern des bewaffneten Konflikts - das ist unsere Mission. Dabei versuchen wir, den Opfern zu helfen, deren Leiden zu lindern und - wenn möglich - für Gerechtigkeit einzutreten sowie Ursachen des Konfliktes zu beseitigen. In Kolumbien ist eine der zentralen Ursachen des Bürgerkrieges die Landverteilung: Fast 90 Prozent des Ackerlandes sind in den Händen einer kleinen Gruppe von Großgrundbesitzerfamilien konzentriert. Deshalb ist es so wichtig, für die Rückgabe von Land einzutreten, die Rechte der Opfer einzuklagen, denn die Landkonzentration hat im Laufe des Konflikts weiter zugenommen.
Marianne Moor ist Koordinatorin des Lateinamerikaprogramms der niederländischen Nichtregierungsorganisation Pax. Die 51-jährige Friedensaktivistin hat lange in Kolumbien gelebt und Geschichte studiert, bevor sie als freie Journalistin wieder nach Lateinamerika ging. Das Interview führte Knut Henkel.
Warum brauchen die Opfer internationale Unterstützung?
Die Opfer tun, was sie können, aber ihre Ressourcen sind sehr limitiert, die Anwälte kostspielig und schon das Beibringen von Nachweisen und Rechtsansprüchen ist eine Hürde. Sie brauchen finanzielle und politische Unterstützung. Dazu gehört die internationale Aufmerksamkeit, denn die Machteliten sind sehr einflussreich in Kolumbien. Sprecher und Aktivsten von Opferorganisationen werden immer wieder bedroht.
Es gibt zwei große Kohleförderer in der Region: das US-Unternehmen Drummond und Prodeco, eine Tochter des Schweizer Rohstoffhändlers Glencore. Warum wird trotz Beweisen und vielfältiger Indizien für die Kooperation mit den Paramilitärs nicht ermittelt?
Neun ehemalige Paramilitärs haben ihre Aussage über direkte und indirekte Bezahlung, logistische Unterstützung und den Informationsaustausch vor kolumbianischen Gerichten im Rahmen der Demobilisierung der Paramilitärs gemacht. Die sind juristisch verwertbar genauso wie die Aussagen von Salvatore Mancuso in den USA - er war der ranghöchste Paramilitär in Kolumbien neben Carlos Castaño. Diese Aussagen werden von den beiden Konzernen bestritten.
Welche Hoffnungen setzen Sie in die Übergangsjustiz, die im Abkommen zwischen FARC und Regierung fixiert ist und nicht nur die Menschenrechtsverbrechen der FARC aufklären und ahnden soll, sondern auch die der staatlichen Akteure und der Paramilitärs?
Das schafft neue Perspektiven, aber es gibt auch enorme Widerstände. Auf lokaler Ebene im Cesar ist der Widerstand der Großgrundbesitzer gegen die Rückgabe von Land und die Aufklärung systematischer Landvertreibung enorm. Sie verfügen über exzellente Kontakte in die Administration. Vor eineinhalb Jahren wurde die Direktorin der staatlichen Landrückgabebehörde wegen »Paramilitarismus« verhaftet. Das veranschaulicht die Dimension des Problems, die In-stitutionen sind nicht unabhängig.
Welche Verantwortung haben die Kohle-Importeure in Europa und speziell in Deutschland?
Als direkte Importeure tragen sie eine Mitverantwortung. Selbst wenn sie nur indirekt importieren, wissen sie in aller Regel genau, woher die Ware kommt, denn sie brauchen für ihre Kraftwerke eine bestimmte Kohlequalität. Die Unternehmen, ob Vattenfall, RWE, E.on, die holländische Nuon oder Dong aus Dänemark, wissen seit Jahren von den konkreten Vorwürfen, aber nur der dänische Energielieferant hat entschieden, die Kohleimporte solange zu stornieren, bis der Lieferant Prodeco mehr Verantwortung für seine Beschäftigten im Cesar übernimmt und die Opfer von paramilitärischer Gewalt entschädigt. Das ist ein Schritt mit Signalcharakter.
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