Schweden plant Gewinn-Bremse
Regierungsstudie schlägt vor, Profite von Einrichtungen wie Privatkliniken zu deckeln
Schweden ist bekannt für sein ausgebautes Wohlfahrtssystem und die traditionell starke Rolle des Staates. Weniger bekannt ist, dass die Politik in der Vergangenheit zahlreiche Bereiche privatisiert hat. Eine Analyse der bürgerlichen Zeitung »Svenska Dagbladet« kam bereits 2012 zu dem Schluss, dass das Land in den vergangenen 20 Jahren unter konservativen sowie linken Regierungen in viel schnellerem Takt marktliberalisiert wurde als »jedes andere der westeuropäischen Länder«.
Im Bildungssektor etwa tummeln sich heute unzählige private Schulbetreiber. »Innerhalb von 20 Jahren gingen wir vom reguliertesten Schulsystem der Welt zum liberalsten über«, behauptet der Bildungsexperte Jonas Vlachos.
In der Kranken- und Altenversorgung sieht es ähnlich aus. Die privaten Firmen erhalten Geld vom Staat nach Leistungen oder Anzahl von Leistungsempfängern.
Privatschulen erhalten genauso viel Geld pro Schüler wie die staatliche Konkurrenz. Rund 26 Prozent der Schüler gingen 2014 an private Gymnasien, »Freischulen« genannt. In Schweden machen fast alle Kinder Abitur. Es ist ein riesiger Markt. Eine der besonders erfolgreichen Privatschulen ist sogar an die Börse gegangen.
Allein von 1998 bis 2012 stieg der Anteil privater Einrichtungen im Bereich Krankenversorgung, Pflege und Schulen von sieben auf 17 Prozent an. 2014 wurden 120 Milliarden Steuerkronen (12,4 Milliarden Euro) an private Dienstleister in diesen Bereichen bezahlt. Heute dürften die Zahlen weitaus höher liegen.
Die Privatisierungen sollten zu mehr Effizienz durch Konkurrenz führen und etwa in der Krankenversorgung die Wartezeiten verkürzen. Dies ist allerdings kaum geschehen. Teilweise führte die Deregulierung zudem zu Missständen, weil die Gewinne offenbar höhere Priorität hatten als die Leistungsqualität. Firmen erregten auch Unmut, weil sie Gewinne in Steuerparadiese transferierten. Es wurde auch betrogen, um mehr Geld zu bekommen. Wohlfahrtsfirmen wurden von umstrittenen Risikoanlagefirmen aufgekauft. Die seit Ende 2014 amtierende rotgrüne Regierung und die sie stützende Linkspartei versprachen deshalb schon im Wahlkampf, Gewinne im Wohlfahrtssystem einzuschränken oder abzuschaffen.
Eine von der rot-grünen Regierung in Auftrag gegebene Studie schlägt nun vor, dass die Privatakteure eine jährliche Gewinnausschüttung von acht Prozent nicht überschreiten dürfen. Der Rest muss in das jeweilige Sozial-Unternehmen investiert werden. »Wir wollen, dass das Geld der Steuerzahler für schulische und soziale Zwecke im Sektor bleibt und nicht in den Taschen der Aktionäre verschwindet«, verkündete der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven - und löste prompt Panik bei Investoren aus.
Einer Umfrage zufolge sind 53 Prozent der Bevölkerung für Begrenzungen der Profite. Auch die mächtige Gewerkschaft LO fordert das. Derzeit ist aber unklar, ob die rot-grüne, von der Linkspartei gestützte Minderheitsregierung eine Gewinndeckelung schon im kommenden Jahr parlamentarisch durchsetzen kann.
Während Befürworter argumentieren, dass der Sozial- und Bildungssektor gesellschaftlich besonders sensibel sei und vor Profitgier besser geschützt werden müsse, fragt sich die bürgerliche Zeitung DN, warum hier eine Ausnahme bestehen solle. Schließlich gebe der Staat insgesamt rund 624 Milliarden Kronen an private Unternehmen. Aber im Straßenbau oder bei Militärausgaben gebe es keine moralischen Bedenken.
Die Opposition wiederum argumentiert, dass nicht Gewinne eingeschränkt werden sollten, sondern der Staat professioneller bei der Auftragsvergabe und der Qualitätskontrolle werden müsse.
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