Samsung in akkuter Not
Technische Probleme bei Smartphones, Managementfehler, Korruption - bei dem Konzern liegt einiges im Argen
Gerade erst hat Samsung Electronics mit einem Quartalsplus von umgerechnet 7,7 Milliarden US-Dollar die höchsten Gewinne seit 13 Jahren verkündet, dem Geschäft mit Halbleitern und Displays sei Dank. Die Handy-, Computerchip- und Fernsehgerätesparte des südkoreanischen Konzernkonglomerates Samsung floriert, was auch der Blick auf den Aktienkurs zeigt: Seit Mitte Oktober ist er um gut 20 Prozent gestiegen.
Trotzdem ist in Suwon, 50 Kilometer südlich der Hauptstadt Seoul, wo die Elektroniksparte von Samsung seit zwei Jahren ihren Hauptsitz hat, kaum jemandem nach Freude zumute. Der mit Abstand größte Mischkonzern Südkoreas leidet unter einer tiefen Vertrauenskrise, seit das einst mit großem Brimborium eingeführte Prestigeprodukt Galaxy Note 7 kurz nach Verkaufsbeginn im Oktober vom Markt genommen werden musste, weil Geräte Feuer fingen und selbst eine Akku-Austausch-Aktion nicht half. Samsung hat schon um die 2,5 Millionen Käufer entschädigt, insgesamt sind 5,3 Milliarden Dollar Kosten entstanden. Weiterhin warnen Fluglinien davor, das Note 7 mit an Bord zu nehmen, und noch immer kursieren Witze über brennende Handys.
Lithium-Ionen-Akkus sind leistungsfähige, aber auch anfällige Energielieferanten. Immer wieder überhitzen einzelne Modelle oder geraten sogar in Brand. Bei immer kleiner und handlicher werdenden mobilen Geräten verstärken sich die Probleme. Vor Samsung waren zahlreiche andere Computer- und Elektronikunternehmen betroffen. Ein kurzer Überblick:
2005: Über das Jahr verteilt gibt es zahlreiche kleinere Rückrufaktionen, darunter von Dell, Hewlett-Packard und Compaq.
2006: Sony muss fast zehn Millionen Notebook-Batterien zurückrufen, die in Notebooks verschiedener Hersteller verbaut sind. Die Bilanz des japanischen Konzerns wird schwer belastet, das Debakel kostet Sony umgerechnet mehr als 340 Millionen Euro.
August 2006: Explodierende Computer und schmelzende Gehäuse setzen den texanischen PC-Hersteller Dell unter Druck. Verschiedene Laptops geraten in Brand – Dell ruft weltweit 4,1 Millionen Geräte zurück. Die Akkus hatte das Unternehmen von Sony bezogen.
Januar 2013: Der US-Flugzeughersteller Boeing stoppt die Auslieferung des neuen Modells 787. Grund: Innerhalb von zwei Wochen geriet bei zwei Flugzeugen einer der Lithium-Ionen-Akkus der Bordstromversorgung des »Dreamliners« in Brand.
2014: Sony ruft Laptops der Vaio-Reihe zurück, in denen Akkus von Panasonic verbaut sind. Unter bestimmten Bedingungen überhitzen die Akkus oder können sogar explodieren.
2015: Fujitsu ruft in den USA Ersatz-Batterien für Laptops zurück.Februar 2016: Toshiba muss in den USA eine Reihe von Akkus für Notebooks wegen Brandgefahr austauschen.
Juni 2016: Der Computer-Anbieter HP ruft weltweit Notebook-Akkus zurück – wegen Brand- und Explosionsgefahr. Die betroffenen Akkus wurden zwischen März 2013 und August 2015 in verschiedenen Notebooks des Unternehmens verbaut. Weniger als ein Prozent der Laptops sollen betroffen sein. dpa/nd
Am Montag wurden nun die Ergebnisse einer Untersuchung präsentiert, die Samsung im Herbst gemeinsam mit externen Unternehmen für Qualitätskontrolle eingeleitet hatte. Fast 700 Experten hätten bei der monatelangen Ursachenforschung mehr als 200 000 Smartphones und mehr als 30 000 Batterien überprüft, teilte Samsung mit. Ergebnis: Die Brände seien auf Design- und Produktionsfehler bei den Akkus zurückzuführen. Probleme mit der Hard- und Software seien auszuschließen. Der Konzern übernehme die Verantwortung für »unser Versagen, die Probleme beim Batterie-Design und beim Produktionsprozess vor der Markteinführung des Note 7 zu erkennen und bestätigen«, sagte der Leiter der Smartphone-Sparte, Koh Dong Jin. Vorgestellt wurde auch ein achtstufiges Verfahren, das solchen Unfällen in Zukunft vorbeugen soll.
Fast noch mehr als auf die technischen Gründe warten viele Koreaner auf dieses neue Managementsystem. Von allen Seiten war im Herbst zu hören, dass eine wichtige Ursache für die Krise in den Hierarchien innerhalb des Unternehmens sowie gegenüber Zulieferern zu finden sei. Ehemalige Samsung-Angestellte berichteten, es sei praktisch unmöglich, die Zielvorgaben der Vorgesetzten zu hinterfragen, selbst wenn diese eigentlich unerreichbar seien. So soll etwa die Austauschaktion nach den ersten Bränden viel zu hektisch abgelaufen sein. Um den Schaden zu minimieren, habe es an Sorgfalt gefehlt.
Dass der Aktienkurs von Samsung Electronics über die letzten Monate dennoch gestiegen ist, erklärt sich vor allem durch die übrigen Geschäftsfelder. Verbraucherelektronik, von Kühlschränken über Tablets bis zu Fernsehern, verkauft sich gut, die erfolgreichen Halbleiter und Displays kommen hinzu. Um den Schaden mit den Smartphones auszugleichen, wird Samsung in den kommenden Monaten ein neues Modell der prestigereichen S-Serie präsentieren. Es gebe derzeit aber keine Pläne, das S8 wie sonst üblich schon beim Branchentreff Mobile World Congress in Barcelona Ende Februar vorzustellen, sagte Koh.
Aber selbst wenn sich die Handysparte schnell erholen sollte, bleiben zahlreiche offene Fragen, die sogar über Samsung hinausreichen. Mittlerweile ist Konsens, dass die südkoreanische Volkswirtschaft zu stark von ein paar Konglomeraten, genannt Chaebols, abhängt, zu denen unter anderem auch Hyundai und LG gehören. Allein die Samsung-Gruppe macht rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der elftstärksten Volkswirtschaft der Welt aus. So kritisierten im Lichte der Smartphonekrise selbst konservative Zeitungen, dass die Existenz unzähliger Zulieferer auf dem Spiel stünde.
Die mittlerweile wegen einer Korruptionsaffäre amtsenthobene Präsidentin Park Geun Hye hatte deshalb Förderprogramme für Start-ups ins Leben gerufen, um die Wirtschaftskraft des Landes auf mehr Schultern zu verteilen. Jungunternehmer werfen den Chaebols oft vor, dass sie entweder deren Ideen klauen oder die Gründer vom Markt drängen, um ihre Vorherrschaft zu sichern. Insbesondere Samsung wird kritisiert, sich erst dann für neue Ideen zu interessieren, wenn diese schon Geld abwerfen.
Es gibt noch einen anderen Grund, warum bei Samsung dieser Tage wenig Freude aufkommt. Gegen den Konzernerben, Vizechef Lee Jae Yong, wurde Mitte des Monats von der Staatsanwaltschaft Haftbefehl beantragt, nachdem herausgekommen war, dass Samsung 43 Milliarden Won (rund 34 Millionen Euro) an eine Stiftung gezahlt hat, die einer persönlichen Freundin von Präsidentin Park zugeordnet wird. Samsung wird verdächtigt, sich mit dem Geld die Genehmigung einer Übernahme erkauft zu haben. Zwar hat ein Gericht mittlerweile wegen Mangels an Beweisen den Haftbefehl abgelehnt. Doch die Geschichte ist für Samsung noch lange nicht zu Ende: Am Wochenende forderten Zehntausende bei einer Demonstration in Seoul unter anderem die Inhaftierung Lees wegen Korruption.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.