Trump ernennt Konservativen für Oberstes Gericht
Nominierung von Neil Gorsuch könnte potenziell weitreichende Folgen haben
»Richter Gorsuch hat herausragende Fähigkeiten, er ist brilliant, verfügt über enorme Disziplin und geniesst parteiübergreifende Zustimmung«, sagte Trump im Weißen Haus, während Gorsuch bescheiden lächelte. In einer kurzen Ansprache unterstrich er seine Überzeugung, die Gerichtsbarkeit habe sich auf die Rechtsauslegung und nicht auf die Gesetzgebung zu konzentrieren. Damit attackierte er indirekt unabhängige, reformorientierte Richter, die von den Ultrarechten seit Jahren als »aktivistisch« oder »links« denunziert werden.
Die exakt auf die Hauptsendezeit der TV-Stationen gelegte Ernennung war so orchestriert, dass sie nach den Massendemonstrationen der Tage zuvor in den aufgewühlten USA den Eindruck von Normalität erweckte. Zumindest im Fernsehen.
Der konservative Jurist aus dem westlichen USA-Bundesstaat Colorado gehört seit 2006 einem von 13 Berufungsgerichten an. Er hatte nach dem Studium an den Eliteuniversitäten Columbia in New York und Harvard in Massachusetts sowie in Oxford für Oberste Richter gearbeitet und war dann zum Top-Juristen in der zweithöchsten Gerichtsbarkeit in Denver, der Hauptstadt von Colorado, aufgestiegen. Als unbestritten gelten seine hervorragenden juristischen Fähigkeiten. Ein Blick auf juristische Meinungsäußerungen und Urteile, an denen er beteiligt war, zeigen jedoch seine ideologisch teils scharf rechte Gesinnung.
Im vergangenen Jahr bezeichnete er seinen Vorgänger Scalia als »Rollenvorbild«. Wie er tat sich Gorsuch als Berufungsrichter als Gegner von Abtreibungsrecht und Umweltschutz hervor. Darüber hinaus urteilte er mehrmals zugunsten von Großunternehmen und ultrarechten Christenverbänden. Er kritisierte öffentlich Linke und Liberale, die sich vor Obamas Durchsetzung der formalen Gleichstellung von Homosexuellen für sie eingesetzt hatten. Die linke Zeitschrift »The Nation« mutmaßte, Gorsuch werde sich in Zukunft auch für die Einschränkung des Wahlrechts von Minderheiten stark machen.
Geht es nach Trump und den Republikanern, dann ist der 49-Jährige der Garant für viele Jahre reaktionärer Gerichtsentscheidungen. Sie sollen die weiße, männliche und christliche Dominanz amerikanischer Prägung in »Gods own country« zementieren. Viele gesellschaftlich umstrittene Themen wie die Todesstrafe, das Recht auf Abtreibung oder Waffenbesitz und die Rechte von sexuellen Minderheiten waren von den Urteilen des obersten Richtergremiums der USA geprägt worden. Kommt Gorsuch durch, dann schlägt das Pendel für mindestens eine Generation nach weit rechts hin aus.
Richter am Supreme Court werden von USA-Präsidenten auf Lebenszeit ernannt. Deshalb hat Trumps Entscheidungsbefugnis, die Zusammensetzung des neunköpfigen Gremiums nach rechts hin zu kippen, nichts mit den Novemberwahlen zu tun. Der neunte Sitz im Obersten Gericht, den Neil Gorsuch einnehmen soll, war frei geworden, als der Rechtsaussen-Richter Anthony Scalia im Februar letzten Jahres starb. Dessen von Barack Obama nominierter Nachfolger Merrick Garland wurde von den Republikanern im Kongress mit verfahrenstechnischen Manipulationen abgewürgt. Garland wurde weder angehört noch wurde über ihn abgestimmt. Der Republikanerchef im Senat Mitch McConnell hatte damals als fadenscheinige Begründung vorgelegt, der Wahlkampf verbiete eine Neubesetzung. Das Volk selbst solle entscheiden.
Den Affront haben viele Demokraten nicht vergessen. Die Fraktionschefin der Demokraten im Repräsentantenhaus Nancy Pelosi bezeichnete die Nominierung als »ausgesprochen feindsinnig«. Senator Jeff Merkley aus Oregon äußerte in einer Twittermeldung seine Auffassung, es handele sich »nicht nur um einen gestohlenen Sitz«. Trump habe einen Rechtsextremisten nominiert. Das sei nicht zu akzeptieren.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.