Graue Wölfe drängen in die Migrationsräte

Rechtsextreme türkische Ülkücü-Gruppierung ist bei lokalen Wahlen aktiv

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 3 Min.

Bereits im Vorfeld der Wahl zum Münchner Migrationsbeirat (vorher Ausländerbeirat) am 22. Januar gab es den Verdacht, die als ultranationalistisch und rassistisch geltende Ülkücü-Bewegung, wolle den Münchner Migrationsbeirat unterwandern. Der Manipulationsverdacht kam auf, weil ungewöhnlich viele Briefwahlunterlagen an das Türkische Kulturzentrum Bizim Ocak e.V. gingen. Der Verein wird seit Jahren vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet, weil sich hier türkische Nationalisten versammeln sollen. Sie selbst bezeichnen sich als «Idealisten», sind aber weithin als Graue Wölfe bekannt.

Jetzt ist klar: Im neugewählten Migrationsbeirat, der dem Münchner Stadtrat beratend zur Seite steht, sitzen auch Personen, denen der bayerische Verfassungsschutz «Bezüge zu extremistischen Gruppierungen» zuschreibt - und meint damit die Ülkücü-Bewegung (sowie die kurdische Arbeiterpartei PKK). «Wir sprechen dabei von einer Personenzahl im niedrigen einstelligen Bereich», so der Sprecher des bayerischen Verfassungsschutzes, Markus Schäfert.

Dass die Grauen Wölfe in gewählten Gremien sitzen, ist nicht neu und nicht auf München beschränkt. So fragte im Juni 2015 die Linksfraktion im Bundestag in einer Kleinen Anfrage: «Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine Mitgliedschaft oder Funktionärstätigkeit türkischer Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten bzw. von Mitgliedern rechtsextremistisch beeinflusster türkischer Vereine in Ausländer-, Integrations- und Migrationsbeiräten oder ähnlichen Gremien?» Die Antwort kam im Juli: «Es sind Fälle bekannt, in denen Mitglieder von ADÜTDF-Vereinen in Integrationsräte gewählt wurden oder ADÜTDF-Vereine mit eigener Liste erfolgreich an Integrationswahlen teilgenommen haben.» Laut Presseberichten soll es in der Vergangenheit um Migrationsbeiräte unter anderem in Wetzlar, Frankfurt, Rüsselsheim und Wiesbaden gehandelt haben.

ADÜTDF ist die Abkürzung für die Dachorganisation «Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland», die sogenannte «Idealisten»-Vereine« (Ülkücü) unter ihrem Dach vereint. Darin wiederum versammeln sich in Deutschland die Anhänger der türkischen rechtsextremen »Partei der Nationalistischen Bewegung« (MHP) und andere Ultranationalisten - bekannt als Graue Wölfe. Ihr Erkennungszeichen sind drei weiße Halbmonde auf rotem Grund und der mit fünf Fingern stilisierte »Wolfsgruß«. Meist treten sie unter dem Namen »Almanya Türk Federasyon« (ATF) auf. In der Türkei werden die Mitglieder mit zahlreichen Gewalttaten und politischen Morden in Verbindung gebracht. Die Grauen Wölfe (türkisch: Bozkurt) setzen sich für einen Zusammenschluss aller Turkvölker ein, die in einem großtürkischen Reich vereint werden sollen. Das neue Reich soll sich demnach vom Balkan bis nach Zentralasien erstrecken, also weit über die aktuellen Grenzen der Türkei hinaus. Verfassungsschützer und Experten sehen bei den Idealisten-Vereinen eine ausgebaute hierarchische Struktur.

In Bayern sind die Grauen Wölfe in zwei Gebietsverbände eingeteilt. In Nordbayern sollen sich die Anhänger im Verband »ATF 1« in Nürnberg sammeln, für Südbayern in »ATF 2« mit Sitz in München. Die Ülkücü-Vereine bieten eine breite Palette an Aktivitäten, darunter religiöse, traditionelle und sportliche Feste, Gruppenausflüge, Basare, aber auch Bildung in Geschichte, Mythen und sogar Nachhilfe für die Schulkinder. So sollen angeblich türkische Jugendliche integriert werden, im Vordergrund steht aber gleichzeitig eine politische Botschaft.

Laut Verfassungsschützer Schäfert stieg die Zahl der organisierten Grauen Wölfe in Bayern im vergangenen Jahr von 1250 auf 1350 Personen an. Sie beteiligen sich vermehrt am politischen Alltag und organisierten zum Beispiel allein in Bayern seit 2013 gut zwanzig Demonstrationen mit bis zu eintausend Teilnehmern.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -