Rassemblement National macht mobil

Marine Le Pen will ihren Ausschluss von kommender Präsidentschaftswahl mit allen Mitteln anfechten

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Die rechtsnationale Politikerin Marine Le Pen attackiert nach ihrer Verurteilung die französische Justiz.
Die rechtsnationale Politikerin Marine Le Pen attackiert nach ihrer Verurteilung die französische Justiz.

Marine Le Pen hat das am Montag gefällte Urteil, das ihre Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl unmöglich macht, als »Atombombe des Systems« bezeichnet. Ihre Gegner hätten zu diesem Mittel gegriffen, »weil wir auf dem Weg sind, bei den Wahlen 2027 zu gewinnen«, sagte sie am Dienstag auf einer Fraktionssitzung des Rassemblement National, zu der ausnahmsweise Journalisten, Kameras und Mikrofone zugelassen waren.

Dabei nannte Marine Le Pen das Urteil »eine Schande für Frankreich«. Das uneingeschränkte Wahlrecht sei eine Säule der Demokratie, und wer das antaste, bringe »das ganze demokratische Gebäude aus dem Gleichgewicht«. Sie und ihre Bewegung würden es keinesfalls hinnehmen, dass die RN-Anhänger, die sie selbst auf mindestens elf Millionen Menschen schätzt, »ihrer Kandidatin beraubt« werden. Sie werde diese mobilisieren und die »undemokratische politische Entscheidung linker Richter« mit allen Mitteln anfechten.

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Marine Le Pen setzt darauf, dass der von ihr beantragte Berufungsprozess vorgezogen und bereits im nächsten Jahr durchgeführt wird. Die angestrebte Aufhebung des Urteils würde sich auch auf das damit verbundene und über fünf Jahre reichende Verbot erstrecken, bei Wahlen zu kandidieren. Auf diesen Punkt konzentriert Le Pen ihre Gegenoffensive – und versucht damit vergessen zu machen, dass sie wegen erwiesenen Betrugs am Europaparlament und der Veruntreuung von mehr als vier Millionen Euro verurteilt wurde.

Umfragen zufolge hat sich durch das Urteil nichts an den Abstimmungsabsichten der Franzosen für die Präsidentschaftswahl 2027 geändert. Die nach unterschiedlichen Umfragen ermittelten 33 bis 37 Prozent, mit denen Marine Le Pen bisher rechnen konnte, gehen jetzt in vollem Umfang auf ihren möglichen Kandidatennachfolger Jordan Bardella über. Der rechte Ex-Premier Edouard Philippe könnte demnach mit 20 bis 24 Prozent rechnen und der linke Kandidat Jean-Luc Mélenchon mit 10 bis 14 Prozent.

Aus dem Rassemblement National verlautet, dass man auf Protestdemonstrationen verzichte, um keinen Vorwand für Ausschreitungen linksradikaler Schläger zu bieten. Doch mit ihren Losungen von einer »Diktatur der Richter« und der Unterstellung, die Justiz sei »von links unterwandert«, fällt das RN in den Zustand des rechtsextremistischen Vorgängers Front National zurück. Jahrelange Bemühungen um eine »Entdiabolisierung« und die Darstellung des RN als eine »Partei wie jede andere«, gehen über Bord.

Kritik an dem Urteil kommt aber auch aus dem Regierungslager und sogar von einigen linken Politikern. So erklärte Jean-Luc Mélenchon, dass es nur den Wählern zukomme, eine gewählte politische Persönlichkeit von ihrem Amt zu entbinden. Die dem Staatspräsidenten Emmanuel Macron nahestehende Präsidentin der Nationalversammlung Jael Braun-Pivet meinte: »Wir brauchen in der demokratischen Debatte alle Stimmen, auch die von Marine Le Pen.« Premierminister François Bayrou, der den Mitgliedern der Regierung verboten hatte, zu dem Urteil öffentlich Stellung zu nehmen, um nicht die Polemik anzuheizen, räumte selbst in einem Interview ein, dass ihn der Richterspruch »verstöre«. Intern erklärte er sogar, ein solches Urteil sei »in keinem anderen Land denkbar«.

Allerdings laufen derzeit auch gegen Bayrous kleine Zentrumspartei Modem Ermittlungen wegen des Verdachts, Parteimitarbeiter als angebliche Assistenten von Europaabgeordneten deklariert und sich so betrügerisch Gelder des Parlaments verschafft zu haben. Bei einer parlamentarischen Fragestunde am Dienstagnachmittag vermied es Bayrou, dazu klar Stellung zu nehmen. Jedoch stellte er sich hinter die Richter, die sich seit dem Urteil einer Welle von Anfeindungen und Drohungen gegenübersehen.

Aus dem Ausland erreichten Marine Le Pen zahlreiche Botschaften der Solidarität. Sie stammen durchweg von rechtsextremen oder autoritären Staats- oder Regierungschefs. Donald Trump erklärte, es sei »besorgniserregend«, wenn politische Persönlichkeiten aus den demokratischen Gremien ausgegrenzt würden. Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zeigte sich »zutiefst empört« über die Vorgänge um Le Pen, und der ungarische Premier Viktor Orbán erklärte per Internet: »Ich bin Marine!« Ähnlich lautende Unterstützung erhielt die Politikerin auch von der italienischen Regierungschefin Georgia Meloni und dem brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro.

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