»Bananenmann« ante portas
Mit Jovenel Moïse als Präsident endet in Haiti eine politische Dauerkrise
Die Ankündigung ist vollmundig. »Ich werde der Präsident aller Haitianer sein«, erklärte Jovenel Moïse vor haitianischen Journalisten. Er werde am 7. Februar nach seiner Vereidigung als neu gewählter Staatspräsident das Land sozial, politisch und ökonomisch »sanieren«. Die Chancen, seinen Plan umzusetzen, sind aber gering. Denn Moïse gehört der alten Politikerkaste an. Bei einer Wahlbeteiligung von 21 Prozent konnte sich der Unternehmer im November mit 56 Prozent der Stimmen durchsetzen.
Seit Tagen schon hämmern und schrauben unzählige Arbeiter auf dem Champ de Mar. Millionen von haitianischen Gourde verschlingen die großen Tribünen und die Bühne, auf der der in Kreyól »Nèg bannann«, »Bananenmann«, gerufene Agrarunternehmer Jovenel Moïse mit einer blauroten Schärpe den Amtseid auf die haitianische Verfassung ablegen wird.
Internationale Gäste werden indes kaum erwartet. Lediglich die Staatschefs aus Venezuela, der Dominikanischen Republik sowie Trinidad und Tobago stehen auf der Gästeliste. Die Namen anderer geladener Gäste bei der Vereidigungszeremonie sprechen allerdings Bände über Moïses Freunde. Da findet sich der ehemalige Armeegeneral Henry Namphy, der im Nachbarland Dominikanische Republik lebt. Ende der 80er Jahre stand er an der Spitze einer Putschjunta, die Duvalier ablöste. 1988 wurde er dann selbst »Opfer« eines Militärcoups und lebt seitdem in großem Wohlstand im dominikanischen Exil. Jovenel Moïse lud ihn ebenso ein wie den in Santo Domingo exiliert lebenden Geschäftsmann Marc-Antoine Acra. Gegen ihn wird sowohl in den USA als auch in Haiti wegen seiner Beteiligung am Rauschgiftschmuggel ermittelt.
Seit Monaten machen Meldungen in haitianischen Medien die Runde, dass der wohlhabende Agrounternehmer, wie schon sein Förderer Martelly, in dubiose Geldgeschäfte in Millionenhöhe in US-Dollar verwickelt sei. Mitte Januar berichtete die haitianische Tageszeitung »Le Nouvelliste« von einer Untersuchung gegen den designierten Staatschef wegen des Verdachts von Geldwäsche.
Moïse beschäftigt auf seinen Bananenplantagen rund 3000 Arbeiter. Fast 70 Prozent der angebauten Biobananen sind für den Export bestimmt. Entsprechend, so betont er, will er den Anbau von Biobananen als »Wirtschaftsmotor« und den Ökotourismus fördern.
Was Ökotourismus und Entwicklungsperspektive bedeuten, hat Moïse-Vorgänger Martelly aufgezeigt. Auf der Île à Vache, der Kuh-Insel an der Südwestküste nahe Les Cayes mussten die Bauern ihre Felder und Wohnhütten für eine Golfanlage und Nobelstrandhäuser räumen. Die Tourismusministerin bescheinigte den Bauern, wer der wirtschaftlichen Entwicklung im Wege stehe, müsse verschwinden.
Derweil wächst in Haiti die Armut. Sieben Jahre nach dem schweren Erdbeben steigt die Zahl der Haitianerinnen und Haitianer, die kein regelmäßiges Einkommen haben. Sie bestreiten ihren Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten oder profitieren von den Geldüberweisungen, die ihnen im Ausland lebende Verwandte mehr oder minder regelmäßig schicken. Fast vier Fünftel der Bevölkerung leben am Rand der Armutsgrenze und etwa ein Viertel davon muss mit weniger als 1,20 Euro am Tag auskommen. »Die Menschen haben Hunger und Durst«, klagt Pater Baudelaire Martial, der beim Wiederaufbau aktiv ist und auch mit deutschen Hilfsorganisationen zusammenarbeitet.
Wenig Hoffnung setzten die Kirchenvertreter in die politische Führung des Landes. Martial bezweifelt eine baldige Wende: »Haiti hat so viele Probleme, dass es unmöglich für einen einzelnen Menschen ist, diese in einem Zeitraum von fünf Jahren zu lösen.«
Zur Amtsübernahme des 48-jährigen Agrarunternehmers äußert sich auch ein Vertreter der haitianischen Bischofskonferenz skeptisch. »Aber da man ihn kaum kennt, da er nicht mit einer überzeugenden Mehrheit gewählt wurde, glaube ich, dass ihm die Legitimation fehlt, die Stärke, um starke Maßnahmen zu ergreifen«, sagt der Beauftragte der Haitianischen Bischofskonferenz für den Wiederaufbau, Pfarrer Brillère Aupont. Die Bevölkerung sei weitgehend »auf sich gestellt, um aus der Misere herauszukommen«.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.