Abschied vom Zählen der Medaillen

DOSB will mit Verbänden die Ziele neu definieren

  • Jörg Mebus, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Er war ständiger Quell für Hohn und Spott und beschäftigte sogar Gerichte - nun soll er verschwinden: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) schafft den Medaillenkorridor ab. Die breit gefächerte Prognose, die Verbänden und DOSB als Erfolgsmaßstab und Grundlage für Fördervereinbarungen diente, wird es für die Winterspiele in einem Jahr in Pyeongchang nicht mehr geben. »Ich gehe davon aus, dass wir das in diesem Jahr nicht machen«, sagte DOSB-Sportvorstand Dirk Schimmelpfennig. Man werde mit den Verbänden »die Ziele aktualisieren. Für uns ist der Ansatz, dass man den Leistungssport nicht auf Medaillen reduzieren sollte.«

Diese Aussage ist mit Blick auf die Spitzensportreform interessant. »Es ist schön zu hören, dass künftig zur harten Währung in den Zielvereinbarungen nicht nur die Medaillen zählen sollen«, sagte die Sportausschussvorsitzende des Bundestages Dagmar Freitag (SPD): »Mit Blick auf die Vergangenheit fehlt mir allerdings der Glaube, dass dieses tatsächlich das letzte Wort ist. Zumal die Spitzensportreform eindeutig Medaillenpotenziale als klare Zielstellung definiert.« Sie sei »sehr gespannt, wie der DOSB das in Zukunft handhaben will«.

Einen Widerspruch aber sieht Schimmelpfennig nicht: »Selbstverständlich bleibt es dabei, dass wir Medaillen gewinnen wollen. Aber wir freuen uns auch über Weltklasseleistungen, die sich im unmittelbaren Umfeld der Podestplätze bewegen, oder über Athleten, die ihre Bestleistung erreichen.« Details einer Neuregelung werden noch erarbeitet. In Gesprächen mit den Verbänden im Mai wolle man sehen, »welche belastbaren und sinnvollen Aussagen wir treffen können«.

Es dürfte schwierig werden, die Medaillenzählerei aus dem Fokus zu rücken - aus dem eigenen und dem der Öffentlichkeit. Schimmelpfennig bestätigte nur, dass für Pyeongchang »sicherlich das Ergebnis von Sotschi der Maßstab« sein werde. Bei den Winterspielen 2014 rechnete man einen Korridor von 27 bis 42 Medaillen aus, am Ende wurde es nur 19 - und wieder mal folgten hilflose Versuche der Rechtfertigung. Letztlich standen die Zahlen nur für einen kontinuierlich schwächer werdenden deutschen Spitzensport.

Die Geschichte der Zielvereinbarungen ist für den DOSB ein einziges großes Ärgernis. In London 2012 wurde das Modell zum Politikum, die Klage von Journalisten zwang DOSB und die Geldgeber aus dem Innenministerium erstmals zur Herausgabe aller Zahlen, während der Spiele, im vollen Licht der Öffentlichkeit. Der DOSB, damals noch unter Führung von Thomas Bach, wollte sich mit allen Mitteln peinliche und endlose Diskussionen ersparen - vergeblich. Denn was vor London einzeln mit den Verbänden mitunter sinnvoll vereinbart wurde, wirkte in der Summe wie das Hirngespinst hoffnungsloser Träumer: 28 Olympiasiege und 86 Medaillen sollten es werden, das Ergebnis: elf Siege und 44 Medaillen. 2016 in Rio de Janeiro wurde mit 42 Medaillen auch nur der untere Rand des schon vorsichtiger gestalteten Zielkorridors (42 bis 71) erreicht. SID/nd Kommentar Seite 4

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