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Wasserball-Pokalfinale in Berlin: In unruhigem Gewässer
Das Final-Four-Turnier in der Hauptstadt soll ein positives Signal für die gesamte Sportart senden
Noch haben die Schulkinder die Sport- und Lehrschwimmhalle Schöneberg fest im Griff. Im mintgrünen Eingangsbereich, wo immer noch eine Tafel an die Weltrekorde über 100 und 200 Meter Delphin erinnert, die Mark Spitz 1967 im Schöneberger Becken aufgestellt hat, gehen noch bis Freitagmittag die Schulklassen ein und aus.
Danach wird umgebaut für die Pokalendrunde der deutschen Wasserballerinnen und Wasserballer. Tische am Beckenrand für die VIP-Gäste, Verpflegung von Alfreds Bistro unter der Tribüne – benannt nach Spandaus Wasserballlegende Alfred Balen – sowie eine Bar und ein DJ-Pult für die Players-Party am Samstagabend nach der Siegerehrung. Organisiert wird das alles von Stefan Seidel, dem Präsidenten der SG Neukölln, die in diesem Jahr zum ersten Mal das Pokalfinale ausrichtet.
»Der Deutsche Schwimmverband hat immer Probleme, Ausrichter zu finden, weil das Geld kostet und das viele nicht machen wollen«, erklärt der 49-Jährige im Gespräch mit »nd« in der Schwimmhalle am Sachsendamm. »Also mir macht so was Spaß.« Kurzentschlossen beantragte der Zwei-Meter-Hühne, der früher selbst für die SG Neukölln in der Wasserball-Bundesliga aktiv war, im Januar beim Berliner Senat die nötige finanzielle Unterstützung für das Final-Four-Turnier.
Die letzten Erfolge liegen 35 Jahre zurück
Obwohl die Neuköllner Wasserballer wenig später im Viertelfinale überraschend am Duisburger SV 1898 scheiterten, gibt Seidel mit seinem Team seitdem alles, um eine große Pokalsause zu veranstalten. 15 Euro kosten die Tagestickets, 25 Euro die für das ganze Turnier, mit denen man sowohl die vier Halbfinalspiele der Männer und Frauen an diesem Freitag sehen kann und auch die Duelle um Platz drei und die beiden Finalspiele am Samstag. Gerechnet wird mit 300 bis 400 Zuschauer*innen pro Tag.
Schon solche Zahlen wären ein Erfolg für einen Sport, der seit geraumer Zeit versucht, nicht unterzugehen. Die letzten großen Erfolge liegen über 35 Jahre zurück. 1981 und 1989 gewannen die deutschen Wasserballer zuletzt die EM. Dazwischen gab es 1984 Bronze bei den olympischen Spielen in Los Angeles und 2004 noch einen fünften Platz bei Olympia in Athen. Auch der ist inzwischen über 20 Jahre her.
Die neueste Potenzialanalyse der Potas-Kommission des Innenministeriums und des Deutschen Olympischen Sportbundes attestiert dem Wasserball auch in Zukunft kaum Aussicht auf Podestplätze. Von den 99 untersuchten olympischen Sportarten liegen die deutschen Wasserballer und Wasserballerinnen, was die Medaillenchancen angeht, auf den Plätzen 94 und 95 – trotz eines beachtlichen fünften Platzes der U20-Wasserballer bei der EM 2024. Weil die Potas-Analyse auch über die Verteilung der Sportförderung mitentscheidet, hat das Ranking drastische Folgen.
Fehlendes Geld und fehlende Professionalisierung
»Wir haben dieses Jahr eine Kürzung der Gelder von 40 Prozent bekommen, weil wir so wenig erfolgreich waren«, erklärt Neukölln-Präsident Seidel, der hauptberuflich beim Deutschen Schwimmverband als Leistungssportreferent für Wasserball arbeitet. Dadurch steht viel weniger Geld für die Nationalmannschaften der Frauen und Männer zur Verfügung, für die Trainer*innen der Auswahlteams und den Betreuer*innenstab.
Es helfen aber nur Investitionen, um den Wasserball in Deutschland auf ein höheres Niveau zu heben und die Lücke zu Topnationen wie Serbien, Kroatien und Ungarn wieder kleiner werden zu lassen. Auf Vereinsebene geht das aktuell nur mit privaten Geldgebern. Sowohl der amtierende deutsche Meister Waspo 98 Hannover als auch Rekordmeister Wasserfreunde Spandau 04 haben mit Frauen-Bundestrainer Karsten Seehafer und Ex-Männer-Bundestrainer Hagen Stamm einflussreiche Funktionäre, mit deren Hilfe die Vereine hochprofessionell arbeiten können.
Bei der SG Neukölln, dem sechsten der acht Teams umfassenden ersten Bundesliga, kann dagegen nur einmal täglich trainiert werden. »Wir sind sozusagen die beste Amateurmannschaft«, gibt Seidel offen zu. Wie heikel der Versuch ist, sich schnell zu professionalisieren, zeigt das Beispiel des SV Ludwigsburg 08. Die Baden-Württemberger traten zur aktuellen Bundesliga-Saison mit einem deutlich höheren Etat an, mussten den Spielbetrieb wegen finanzieller Probleme aber im November einstellen und ihr Team abmelden.
Jugendarbeit als Ausweg aus der Versenkung?
Die SG Neukölln geht einen anderen Weg. »Im Moment machen wir eine sensationelle Jugendarbeit«, freut sich Seidel. Zusätzlich zu einer erfolgreichen Nachwuchskooperation mit Spandau bietet der Verein an mehreren Neuköllner Schulen ab der dritten Klasse Wasserball im Wechsel mit dem regulären Schwimmunterricht an. Abschluss ist das Bärli-Ball-Turnier, bei dem die Schulteams gegeneinander antreten können. »Da siehst du, was möglich ist. Da stehen dann dreihundert Eltern in Neukölln am Beckenrand, die überhaupt keine Ahnung von dieser Sportart haben, und brüllen und feuern an.«
Eine ähnliche Stimmung wünscht sich der SG-Präsident auch für die Pokalendrunde in der Schwimmhalle Schöneberg. Denn wenn das Turnier gut angenommen wird, kann sich Seidel auch vorstellen, das Final-Four-Turnier dauerhaft in Berlin auszurichten, so wie das DFB-Pokalfinale im Fußball. Um ein positives Zeichen zu setzen, was trotz aller Widrigkeiten möglich ist für den deutschen Wasserball.
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