Eine Obergrenze bitte! Beim Bahnchef-Salär!
Winfried Wolf kann den Kandidaten für den Vorstandsposten beim Staatskonzern nichts abgewinnen. Ein Team an der Spitze wäre eine mögliche Lösung.
Die Debatte um den neuen Bahnchef ist entbrannt. Doch sie findet in Hinterzimmern statt. Als ob die Deutsche Bahn AG sich nicht zu 100 Prozent in öffentlichem Eigentum befände. Als ob nicht jährlich mehr als zehn Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln in das System Schiene flössen.
Drei Namen sickern durch: Roland Pofalla. Ein Mann, der seine Entschlossenheit, öffentliche Gelder zu veruntreuen, dadurch dokumentierte, dass er als Bundestagsabgeordneter 2006 bis 2009 aus Mitteln für den MdB-Bürobedarf Montblanc-Luxusschreibgeräte im Wert von 14.722,32 Euro orderte. Stefan Meyer. Ein Mann, dessen erste zwei Maßnahmen als neuer Chef der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) 2007 waren, das eigene Salär zu verdoppeln und ein traditionsreiches SBB-Instandhaltungswerk in Bellinzona zu schließen. Die Beschäftigten ertrotzten den Erhalt ihrer Arbeitsplätze mit einer vierwöchigen Werksbesetzung. Einige meiner Schweizer Bahnfreunde würden den Mann liebend gern zurück nach Deutschland reichen, wo er 2004 bis 2006 in der DB-Spitze mitverantwortlich für das Desaster der S-Bahn Berlin war. Wolfgang Bernhard. Ein Mann, der in seiner Funktion als Chef der Daimler-Lkw-Sparte als harter Sanierer agierte und der als Bahnchef im Interesse Daimlers die Abtrennung des Schienengüterverkehrs vorantreiben könnte. Bernhard wäre insofern originell, weil wir dann mit Heinz Dürr, Hartmut Mehdorn, Rüdiger Grube und Wolfgang Bernhard ein komplettes Quartett mit Bahnchefs aus der Daimler-Kaderschmiede beieinander hätten.
Zu diskutieren wäre der Vorschlag, den der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Claus Weselsky, machte: Erst gar keinen Solisten mehr zu küren. Anstelle eines Bahnchef sei ein Team an der Spitze eine angemessene Lösung. Leute, die Schiene können, die Eisenbahn lieben und die Öffentlichkeit für ein Revival der Schiene begeistern.
Dabei sollte es elementare Anforderungen an den Charakter derjenigen geben, die in einem solchen Spitzenteam wirken. Was auch heißt: Nie wieder einer wie der, der sich gerade vom Gleisacker machte! Der auf den 31. Januar datierte Abschiedsbrief des Herrn Grube an die Bahnbeschäftigten hat die handschriftliche Eingangszeile »Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen«. Grube erhielt zuletzt 2,436 Millionen Euro Vergütungen (900 000 Euro feste plus 522 000 Euro variable Vergütung plus 17 000 geldwerte Vorteile plus 997 000 »Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen«). Herrn Grubes »Kolleginnen und Kollegen« sind Lokführer mit 2500 Euro netto, Zugbegleiter mit rund 1800 Euro netto oder auch Mitarbeiter, die für 1200 Euro netto die DB-Kantinen putzen und die dort nicht einmal verbilligtes Essen zu »Mitarbeiterpreisen« erhalten, die dort »Straßenpreise« bezahlen und denen die Grube-Bahn ausrichten ließ: »Ihnen Rabatt zu gewähren, können wir uns nicht leisten.« Die Anwanzerei im Grube-Abschiedsbrief an die 300 000 »Kolleginnen und Kollegen« gipfelt in dem Satz: »Wie Sie wissen, komme ich vom Bauernhof. Da habe ich gelernt, was Geradlinigkeit und zu seinem Wort stehen bedeuten.« Halten wir fest: Würde ein normaler Beschäftigter, der in seinem Beruf Verantwortung trägt, auf vergleichbare Art und Weise die Brocken hinschmeißen, dann würde das zu Recht als verantwortungslos gebrandmarkt.
Immer wieder lesen wir: Die hohen Gehälter bei den Spitzenjobs seien nötig, um qualifiziertes Personal zu erhalten. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Wer solche Summen kassiert, ist disqualifiziert. Was die Dampfplauderer Mehdorn und Grube unter Beweis stellten. Der beste Mann, den es an der Spitze der besten europäischen Eisenbahn, der SBB, gab, war Benedikt Weibel. Sein Gehalt lag am Ende seiner Dienstzeit, 2006, bei 350 000 - Schweizer Franken. Pofalla, Meyer oder Bernhard würden bei einer solchen Gehaltsobergrenze erst gar nicht als Kandidaten antanzen. Und das wäre gut so.
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