Album über Pimmel et al.: Schnipo Schranke legen wieder los

Neues Album des Pop-Duos auf dem Markt

Manchmal können Musikerinnen nichts dafür, dass sich der Hype ausgerechnet den einen Song vom ersten Album aussucht, für den man die Band doch recht billig finden müsste. Ein Song über eine verlorene Liebe eigentlich, aber weil man in den 2000ern lebt und einem sonst keiner mehr zuhört, müssen die Wörter »untenrum«, »Pisse« und »Arschbacken« drin vorkommen. Danke für nichts, Charlotte Roche. Das ist echt, das ist anti aufgehübscht, das ist so igitt. Dann singen dieses Lied zum Mundauswaschen auch noch zwei Frauen. Wir sind baff, die trauen sich was. Fans sind also: der domestizierte Normalmensch, entzückt ob der Schamlosigkeit, oder, wie der Musikjournalist Jens Balzer durch teilnehmende Beobachtung auf Konzerten herausgefunden haben will, Punker zwischen 40 und 50.

Daniela Reis und Fritzi Ernst alias Schnipo Schranke kennen wir wegen ihres Songs »Pisse«. Und wenn wir ehrlich sind: nur seinetwegen. Aber keine Feministin soll sich trauen, ihre Musik zu mögen, das haben die beiden schon klargestellt. »Wir setzen keine Maßstäbe, wir setzen sie voraus«, sowas sagen Mitte-Zwanzigjährige heute, die ihr Cello-Studium geschmissen haben, wie sie sagen, weil sie keine Lust auf monoton klatschende Senioren in der ersten Reihe hatten.

Aber was für ein Glück, dass es das »Pisse«-Lied auf ihr erstes Album »Satt« geschafft hat! Wer weiß, ob es »Rare«, ihre zweite Platte, sonst überhaupt gegeben hätte. Schon das »Intro« genannte Intro verspricht, dass es etwas düsterer weitergeht als auf dem Debüt. Auch der Sound ist voller, die Arrangements sind ein wenig komplexer geworden. Die Songtitel sind die gleichen. Auf »Pimmelreiter« folgt ein todtrauriges Stück über das Alleinsein und die gerade gestorbene Katze. Die Stimmen von Ernst und Reis klingen wunderschön, meist morbide und manchmal wie Bettina Wegner ohne die ganze lästige Lebenserfahrung. Das macht ja ihren Reiz aus. Dieser Körper- und Sezierfetisch, der so völlig irre isoliert daherkommt, während um sie die Welt mit jedem Tweet hysterischer wird.

Schnipo Schranke singen weiterhin vom Irgendwodrinrumpopeln und Chatten auf MDMA, dazu der an eine Kirmesrundfahrt erinnernde Rhythmus von Schlagzeug, Keyboard und Synthesizer. Darunter, quasi eingepackt in ranziges Butterbrotpapier, die harten Kanten: Einsamkeit, Verhältnis zu den Eltern, Tod. Das ist nicht total irrelevant, sondern richtig gute Popmusik, denn dasselbe Thema kann man auch so angehen: »Du kannst das Leben leicht nehmen / Auch wenn es das nicht ist / Brauchst nur ein bisschen Leichtsinn / Und du kannst sein, wer du willst« (Tim Bendzko, »Leichtsinn«). Am Ende ist »Rare« ein solides Pisse-Kacke-Schweißgeruch-Album geworden, wie das erste es schon war. Was hatten wir denn erwartet?

Schnipo Schranke: »Rare« (Buback) Konzerte u.a.: 9.3. Köln, 15.3. Leipzig, 16.3. Dresden, 17.3. Berlin, 18.3. Hamburg

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