Wenn die Kleinen auf der Matte stehen

In Deutschland sind Kinder und Beruf weiterhin schlecht vereinbar - besonders groß ist der Handlungsbedarf bei der Betreuung nach der Schule

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer in Berlin einen Kitaplatz sucht, ist schon mittendrin in dem Thema, das eine neue OECD-Studie jetzt anspricht: Es ist schwierig, obwohl ja ein Anspruch auf Betreuung besteht. Und noch schwerer wird es für Eltern, die weiter in Vollzeit arbeiten wollen. Die allermeisten Kitas schließen um 16, um 16.30 oder spätestens um 17 Uhr. Selbst wer einen vergleichsweise komfortablen Bürojob hat, in dem sich die Kernarbeitszeit auf »nine to five« erstreckt, schaut in die Röhre, auch bei den 17-Uhr-Kitas: Wer hat schon das Glück, dass die Kinderbetreuung gleich neben dem eigenen Arbeitsplatz stattfindet? Ganz zu schweigen von Menschen, die etwa in Schichtdiensten arbeiten.

Dabei ist die Kita-Situation in Berlin noch komfortabel, wenn man sie mit der Lage in weiten Teilen der alten Bundesländer vergleicht. Und noch schwieriger wird es, wenn die Kleinen in die Schule kommen. Dann stehen sie oft mittags auf der Matte und fordern ihr Recht.

Die Folge: Oft ist ein Partner gezwungen, seine Arbeitszeit zu reduzieren. Und da in Deutschland üblicherweise auch dann, wenn beide in Vollzeit arbeiten, die Frauen erheblich weniger verdienen, beantwortet die Haushaltskasse die Frage nach der Rollenverteilung ganz pragmatisch, selbst wenn die Eltern sich vielleicht ein anderes Modell wünschen.

Nun hat die OECD dieses Problem statistisch vermessen. Demnach ist die Bundesrepublik in Europa noch immer ein Schlusslicht, wenn es um die geschlechtergerechte Zusammensetzung des Haushaltseinkommens geht: Im Durchschnitt tragen die Frauen noch nicht einmal ein Viertel zum Familieneinkommen bei, während sich dieses Verhältnis in Dänemark mit gut 42 Prozent in Richtung Parität bewegt.

Die Situation in Deutschland hat ihre Ursache in der hohen Teilzeitquote. Zwar arbeiten inzwischen statistisch sieben von zehn Müttern, doch nur drei davon in Vollzeit und vier in Teilzeit - meist mit nicht mehr als 20 Wochenstunden. Interessant ist, dass südeuropäische Länder wie Portugal oder katholische Gesellschaften wie Polen, denen man vielleicht eine ungleichere Verteilung zutraut, die Bundesrepublik hinter sich lassen. In Polen sind zwar insgesamt etwas weniger Mütter in Arbeit, doch ist hier Teilzeitbeschäftigung eher selten. Und in Portugal arbeiten nicht nur etwas mehr Frauen mit Kindern, sondern liegt die Teilzeitquote weit unter zehn Prozent.

Entsprechend ungleich verteilt sich in Deutschland weiterhin die Erziehungs- und Hausarbeit. Hierzulande übernehmen Mütter laut der Studie noch immer fast zwei Drittel dieser Formen unbezahlter Arbeit. In skandinavischen Staaten wie Norwegen oder Finnland mit besser ausgebauten Betreuungssystemen sind diese Arbeiten egalitärer verteilt.

Die Studie empfiehlt für die Bundesrepublik, den Ausbau der Kleinkinderbetreuung weiter fortzusetzen und Instrumente wie das Elterngeld auszubauen - darüber aber die Schulkinder nicht zu vergessen. Bei deren Betreuung gebe es hierzulande erheblichen »Nachholbedarf«.

Dass die Erziehung des Nachwuchses noch immer so viele Frauen in Deutschland von Vollzeitarbeit fernhält, sei auch volkswirtschaftlich ein Problem. Denn statistisch sind sie in der Bundsrepublik höher qualifiziert als Männer: Frauen in der Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahren erwerben heute mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit einen Hochschulabschluss.

Im Ergebnis der derzeitigen Lage denken knapp 31 Prozent der Eltern in Deutschland, dass der Beruf die Familie häufig oder ständig beeinträchtige, weitere 35 Prozent sagen, dies sei manchmal der Fall. In Norwegen, aber auch in Ländern wie Portugal sind nur 15 beziehungsweise knapp 12 Prozent dieser Ansicht.

Diese Selbsteinschätzungen von Deutschen mit Kindern lassen sich wohl als ein Hintergrund der Tatsache verstehen, dass sich vergleichsweise viele Bundesbürger weiterhin gegen Kinder - oder gegen mehr als ein Kind - entscheiden. Seit dem Tiefstand Mitte der 1990er Jahre ist die Geburtenrate zwar von 1,36 auf 1,47 Kinder je Frau gestiegen. Das »Bestanderhaltungsniveau« liegt aber bei 2,1 Kindern. Kommentar Seite 4

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