Gläubigerkontrolleure kehren nach Griechenland zurück
Eurogruppe will Kreditprogramm mit Mittelmeerstaat zu Ende bringen und sich dabei auf Reformen statt Austerität konzentrieren / IWF-Beteiligung weiter offen
Brüssel. In den Streit um Griechenlands Rettungsprogramm ist wieder Bewegung gekommen: Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem kündigte nach einem Treffen der Finanzminister der Währungsunion am Montag an, dass die Experten der Gläubigerinstitutionen demnächst nach Athen zurückkehren würden. Dann solle zusammen mit den griechischen Behörden an zusätzlichen strukturellen Reformen gearbeitet werden, um das bis zu 86 Milliarden Euro umfassende Kreditprogramm voranzubringen.
Im Fokus stünden das Steuer- sowie das Rentensystem, aber auch die Regularien zum Arbeitsmarkt. »Es wird einen Wechsel des Politikmix’ geben, sich wegbewegend von Austerität hin dazu, mehr Kraft auf tiefe Reformen zu verwenden«, erklärte Dijsselbloem nach dem Treffen. Man sei einen guten Schritt vorangekommen, um die Blockade des Programms aufzulösen und mittelfristig wieder Kredite an das hoch verschuldete Land freizugeben. Eine politische Vereinbarung stehe jedoch noch aus.
Nach Angaben eines EU-Vertreters werden die Kontrolleure in der kommenden Woche zurück in Griechenland erwartet. Die Experten der Gläubiger-Institutionen überprüfen regelmäßig, ob Griechenland die im Gegenzug für die Finanzhilfe der Euro-Länder verlangten Reformen auch tatsächlich umgesetzt hat. Sie sollen nun auch die Details der Vereinbarung mit Griechenland über zusätzliche Reformen aushandeln. Im Gespräch sind nach Angaben aus Verhandlungskreisen eine Absenkung der Besteuerungsschwelle und Einsparungen bei Renten.
Eurogruppen-Chef Dijsselbloem warnte vor vorschnellen Erwartungen. Es gebe »immer noch viel Arbeit zu tun«, sagte er. Er verwies gleichzeitig darauf, dass Athen derzeit nicht in akuten Finanznöten sei. Weder im März, April oder Mai sei das Land auf neue Kredite angewiesen, sondern eher Richtung Sommer. Im Juli muss Athen rund sieben Milliarden Euro an internationale Gläubiger zurückzahlen.
Erschwert wurden die Verhandlungen mit der griechischen Regierung in den vergangenen Wochen durch die unklare Lage um den Internationalen Währungsfonds (IWF). Er beteiligt sich bisher nicht wie vor allem von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gefordert an dem Programm, weil er die Annahmen der Europäer für die langfristige Schuldentragfähigkeit bei Griechenland für viel zu optimistisch hält.
Da die Euro-Länder unter anderem wegen der anstehenden Wahlen Schuldenerleichterungen vor Ende des Kreditprogramms im August 2018 ablehnen, verlangte der IWF von der griechischen Regierung, schon jetzt Sparmaßnahmen gesetzgeberisch zu beschließen, die bei zu niedrigen Haushaltsüberschüssen automatisch in Kraft treten würden. In den vergangenen Wochen hatte sich Athen noch vehement gegen die Forderung gewehrt.
Die SYRIZA-geführte griechische Regierung wertete das Ergebnis von Brüssel nun als »Einigung ohne zusätzliche Sparmaßnahmen«, wie ihr Sprecher Dimitris Tzanakopoulos im Fernsehsender Alpha sagte. Sie sei »ein entscheidender Sieg angesichts der Forderungen des IWF, zusätzliche Maßnahmen von vier Milliarden Euro für die Zeit nach 2019 zu verabschieden«.
»Wir haben keine spezifischen Maßnahmen beschlossen«, ergänzte Energieminister Giorgos Stathakis gegenüber dem Fernsehsender Skai TV. Es sei jedoch vereinbart worden, dass egal, welche Veränderungen an den bisherigen Plänen vorgenommen werden, es jeweils einen Ausgleich geben werde. »Jeder Maßnahme, die eine Steuererhöhung auch um nur einen Euro nach sich zieht, wird mit einer Gegenmaßnhame begegnet, die zur Senkung um einen Euro führen wird«, so Stathakis.
Der IWF begrüßte die Grundsatzeinigung vom Montag, forderte in einer Erklärung aber gleichzeitig »mehr Fortschritte«. Es sei noch »zu früh«, um über eine abschließende Einigung während des Besuchs der Experten der Gläubiger-Institutionen in Athen zu spekulieren. AFP/nd
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